Rückkehr nach Kenlyn
kapiert.«
»Endriel!«, rief Nelen aus, als sie das Schiff betraten. »Den Geistern sei Dank!« Die Yadi flatterte ihr fast ins Gesicht und umschloss es mit ausgestreckten Armen, während Keru die Gangway einfuhr.
»Seid ihr alle wohlauf?«, fragte Endriel Miko und Xeah, die ebenfalls zu ihrem Empfang bereit standen.
»Alles bestens, Kapitän!«, sagte Miko, doch seine Stimme strafte die Worte Lügen. Endriel bemerkte den unsicheren Blick, den der Junge in Kerus Richtung tat.
»Es gab ein paar ... Zwischenfälle, aber uns ist nichts passiert«, versicherte Xeah.
»Gut. Sehr gut.« Endriel fiel ein Felsbrocken von den Schultern. Sie wandte sich an Liyen, die neben ihr stand und von den anderen neugierig beäugt wurde. »Leute, ich möchte euch jemanden vorstellen. Mannschaft der Korona – das ist Liyen Tela. Liyen Tela: die Mannschaft der Korona .«
»Hallo.« Liyen nickte den dreien zu.
Natürlich blieb der Name nicht ohne Wirkung: Xeah blinzelte verblüfft, Miko staunte einfach nur und Nelen – Nelen schien Endriels Misstrauen zu teilen. »Wir haben schon viel von dir gehört«, sagte die Yadi bedeutungsvoll.
Liyen zeigte ein selbstironisches Lächeln. »Ich hoffe, die Enttäuschung ist nicht allzu groß.«
»Für diesen Quatsch haben wir später noch Zeit«, grummelte Keru. »Wir starten sofort!«
Die Korona sprang in die Luft und zündete die Schubdüsen; das kleine Drachenschiff ließ Tian-Dshi hinter sich und raste in die Dunkelheit, durch den immer dichter werdenden Vorhang aus Schnee hindurch. Niemand wagte zu sprechen. Endriel stand mit den anderen auf der Brücke – nur Liyen saß einsam auf einem Diwan, von ihrem dicken Wintermantel fast verschluckt, den sperrigen Rucksack immer noch auf dem Rücken. Sie schien sich wie belagert zu fühlen.
Endriel ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Ihre Bedenken hatten sich mittlerweile in tiefe Zweifel verwandelt. Gut möglich, dass es der schwerste Fehler ihres Lebens gewesen war, sie an Bord zu nehmen. Und vielleicht auch ihr letzter.
Natürlich entging Liyen nicht, dass sie beobachtet wurde. Ihr Blick und der von Endriel trafen sich. » Was ist hier los? «, fragte sie stumm.
Endriel gab keine Antwort.
Bald darauf landete Keru das Schiff auf einem abgeernteten Kornfeld, gute hundert Kilometer außerhalb von Tian-Dshi. Die Antriebe winselten; erst, als sie ganz verstummt waren, ließ er das Steuer los. »Also dann, bringen wir es hinter uns.«
Liyen zog die Augenbrauen hoch. »Bringen wir was hinter uns?«
Endriel verschränkte mit harter Miene die Arme. Nun, da sie aus der Eiseskälte wieder ins warme Schiff gekommen war, glühten ihre halberfrorenen Ohren vor Schmerzen. »Wir müssen deinen Rucksack durchsuchen – deine Kleidung.«
»Bitte?« Liyen lächelte, als habe sie sich verhört.
»Wir müssen sicher gehen, dass du keine Wanzen mit an Bord schleppst.«
»Was? Warum sollte ich das tun?«
»Ich erkläre es dir später. Vertrau mir.«
»Dir vertrauen? Ich kenne dich nicht mal!«
»Tu es für Kai!«
»Was bitte schön hat Kai damit –?«
»Verdammt noch mal, tu es einfach!«, blaffte Endriel. Miko, Nelen und Xeah erschraken vor der Lautstärke ihrer Stimme. Genau wie Endriel selbst. Erst jetzt wurde sie sich bewusst, wie nervös sie war; ihr Magen schien sich mit kaltem Blei zu füllen. Um Sanftheit bemüht, fügte sie hinzu: »Bitte.«
Liyen sah von ihr zu Keru, der sich hinter seinem Kapitän aufgebaut hatte. »Na schön ...« Immer noch skeptisch zerrte sie sich ungelenk den Rucksack von den Schultern. »Aber ihr räumt das Zeug nachher wieder ein!«
»Falls es ein Nachher gibt«, knurrte Keru.
Liyen erwiderte düster den Blick des Skria, verkniff sich jedoch weitere Kommentare. Sie stand vom Diwan auf und begann, ihren Mantel aufzuknöpfen.
Endriels Hände ballten sich vor Anspannung zu Fäusten.
Liyen schälte sich aus dem Mantel. Darunter trug sie ein dickes Wollhemd mit blau gemusterten Säumen, eine Leinenhose, deren Schlag mehrfach umgekrempelt war, sowie feste Halbstiefel mit dicken Sohlen. Sie setzte sich gespielt in Pose. »Zufrieden?«
Keine Klinge, kein Sonnenauge, keine Waffe irgendeiner Art. Trotzdem beruhigte das Endriel kaum. »Jetzt der Rucksack.«
Liyen wollte das Gepäckstück gerade aufschnüren, als Keru es ihr abnahm. Wenig begeistert sah sie zu, wie er den Inhalt auf dem Boden leerte und mit Endriels Hilfe genau untersuchte.
Sie fanden verknitterte Kleidung für alle Jahreszeiten – Unterwäsche
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