Rückkehr nach Kenlyn
sich an seine Leute. »Sie können weiterfliegen. Wir kehren zurück aufs Schiff.« Er nickte Endriel knapp zu. »Kapitän.«
Minuten später waren die Weißmäntel wieder verschwunden. Doch niemand an Bord der Korona fühlte sich sonderlich erleichtert. Es dauerte einige Zeit, bis jemand etwas sagte.
»M-Meint ihr, der Kult steckt dahinter?«
»Es würde mich nicht wundern, Miko«, antwortete Endriel. Dunkler Äther – die Worte allein jagten ihr einen Schauer nach dem anderen über das Rückgrat.
Sie erinnerte sich an ihren Schulunterricht: an die Berichte von Strahlen, die man weder sehen, noch fühlen, noch sonstwie wahrnehmen konnte, und die trotzdem selbst bei kurzem Kontakt unheilbar krank machten.
»Aber was sollte der Kult damit bezwecken?«, fragte Liyen. »Ich denke, die Kerle sind so versessen darauf, geheim zu bleiben!«
»Sie hat Recht«, brummte Keru. »Davon abgesehen gibt es attraktivere Ziele als Xanata.«
»Vielleicht wollten sie ein Exempel statuieren?« Xeah schien sich nur mit Mühe auf den Beinen halten zu können. »Zeigen, wozu sie fähig sind?«
»Nein.« Keru schüttelte seine Mähne. »Nicht jetzt. Nicht so früh.«
Endriel betete, dass er Recht hatte. Sie musste sich zwingen, an etwas anderes zu denken und wandte sich an ihre Mannschaft. »Ich muss mit euch reden. Auf der Brücke. Liyen, kannst du mir den Gefallen tun und solange in deinem Quartier warten?«
»Was?« Liyen schien sie gar nicht gehört zu haben. »Natürlich«, sagte sie dann gedankenverloren, als wäre sie Welten entfernt.
Das Schiff verharrte nach wie vor regungslos in der Luft. Endriel wartete, bis sich alle um die Navigationskarte versammelt hatten. Die Nachricht der Weißmäntel wirkte immer noch nach, und sie hoffte, die anderen ablenken zu können. Nach einem letzten, versichernden Blick zur geschlossenen Brückentür sagte sie: »Also, die gute Nachricht zuerst: Ich habe das Passwort der Armschiene geknackt.«
Ein kollektives Aufatmen folgte.
»Jjjjjjja! Ich wusste es!« Nelen führte in der Luft einen Freudentanz auf.
»Das ist großartig, Kapitän!« Mikos Augen strahlten.
»Es wurde, verdammt noch mal, Zeit« schnaubte Keru, der mit verschränkten Armen neben dem Jungen stand. »Und jetzt die schlechte Nachricht, bitte.«
»Es liegt noch ein kleines Stück Weg vor uns. Yu Nan meinte, es sind nur noch drei interplanetare Portale auf ganz Kenlyn übrig. Das nächste davon befindet sich ... etwas weiter nördlich.«
»Wie weit?«, fragte Nelen.
»Sehr weit.« Endriel betätigte die Kontrollen der Karte. Sie ließ den Ausschnitt der Projektion mit der rotbraunen Struktur des Niemandslandes weiter nach Norden wandern: von den Küsten des Großen Meeres, weit über den Ozean hinaus, bis zum strahlenden Weiß der Polkappe. »Genauer gesagt, hier!« Sie zeigte auf einen Fleck in dem farblosen Nirgendwo.
»Du meinst, mitten im Ewigen Eis?« Ein Frösteln ließ Xeahs Körper erbeben.
»Ich fürchte, ja.« Endriel nickte. »Was lustig ist, denn Nelen und ich hatten überlegt, Liyen dort rauszuschmeißen. Auf jeden Fall wird es nicht sehr gemütlich dort draußen. Tut mir leid, Xeah. Ich verspreche dir, das nächste Mal ziehen wir in wärmere Gefilde.«
Die Draxyll antwortete nicht, sondern zog mit einem seufzenden Horntuten den Kopf ein, sodass ihr Schnabel fast den Hals berührte.
Irgendwas nagt an ihr , dachte Endriel. Und es hat nichts mit Frost oder Dunklem Äther zu tun. Aber was?
»Und du kriegst das Ding mit Sicherheit auf?« Keru musterte sie argwöhnisch.
»Ja.« Endriel hob die Armschiene, die wieder ihren rechten Unterarm umschloss. »Hiermit schon. Yu Nan hat mir die Koordinaten gegeben. Es ist versteckt, genau wie das Portal damals in Xida-Ma, aber wir müssten es trotzdem finden.«
»Müssten«, schnaubte Keru.
»Werden«, verbesserte sich Endriel. Sie ließ ihren Blick schweifen; von dem riesenhaften Skria, über den wesentlich kleineren Miko daneben und Nelen auf dessen Schulter, bis zu Xeah, die zu ihrer Linken stand, die Hände in die Ärmel ihrer Robe gesteckt.
»Oh, bitte!« Keru verdrehte das Auge. Er schien zu ahnen, was jetzt kam. »Keine Rede!«
»Ich habe sechs Monate auf diesem Moment gewartet«, sagte Endriel ernst. »Und jetzt, wo er da ist, hab ich ehrlich gesagt Schwierigkeiten, es zu glauben. Da ich mich selbst schon zu Genüge gekniffen hab, nehme ich an, dass es kein Traum ist – der Saphirstern liegt zum Greifen nahe. Allerdings wissen weder ich noch Yu Nans
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