Rückkehr nach Kenlyn
überwältigt. Selbst damals in Gaidaan war ich nicht so ängstlich gewesen.«
»Und wenn schon! Wir sind da, um dich zu beschützen. Und außerdem: Ohne dich wären wir niemals so weit gekommen. Wenn es dich nicht gäbe, hätte Keru mich wahrscheinlich schon längst in den Wahnsinn getrieben oder Hackfleisch aus mir gemacht.«
»Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Aber ich danke dir.«
Endriel sagte nichts. Sie beugte sich vor und schloss Xeah in die Arme. Durch deren Robe hindurch spürte sie die Rippen unter der dünnen Haut der Draxyll. Xeah hielt Endriel fest. Ihr Horn tutete herzerweichend.
»Ich will nicht, dass du gehst«, flüsterte Endriel.
»Und ich will nicht wirklich gehen«, antwortete Xeah.
»Ich werde dich vermissen.« Endriel zog die laufende Nase hoch.
»Ich liebe euch.« Tränen liefen über Xeahs graues Gesicht. Die Ränder ihrer Nasenöffnungen bebten. »Das wird sich niemals ändern, hörst du?«
Sie lösten sich aus der Umarmung.
»Wann ... wann wirst du es den anderen sagen?«, fragte Endriel und wischte sich die nassen Augen ab.
»Ich weiß es noch nicht«, gestand Xeah. »Ich fürchte, sie werden mich umstimmen, wenn sie es erfahren.«
»Dann lass dir Zeit«, sagte Endriel.
Sie blieb noch lange bei ihr, und Xeah hörte ihr zu, wie sie ihr von der Welt des Eidolon erzählte und den unglaublichen Dingen, die es ihr gezeigt hatte: eine Stadt aus Kristall, einen Mond, so rund wie ein Kuchen und einen Horizont, der viel, viel weiter reichte als der von Kenlyn.
Und Xeah erklärte Endriel, wie sehr sie sich für sie freute, dass ihr Wiedersehen mit Kai so bald bevorstand und dass sie ganz sicher war, dass er noch lebte. Dann fielen ihr allmählich die Augen zu. Doch selbst als Xeah eingeschlafen war, wich Endriel nicht von ihrer Seite; sie hatte die Arme um die Beine geschlungen und war in Gedanken an die Zukunft versunken. Sie dachte daran, was Xeah vor gar nicht allzu langer Zeit gesagt hatte: Dass alles im Leben seinen Preis hatte. Und sie fragte sich, wie hoch der Preis war, den sie für Kais Rückkehr zahlen musste.
Galet Rengar konnte sich nicht erinnern, wann der Thronsaal des Gebieters das letzte Mal so gefüllt gewesen war: Über zwanzig der wichtigsten Männer und Frauen des Schattenkults waren in aller Eile angetreten, nachdem der kaiserliche Befehl sie vor einer knappen Viertelstunde hierher beordert hatte.
Unter ihnen war Demura, der menschliche Leiter der Palastgarde, der seinen Adlerblick durch den Raum schweifen lies; die zukünftigen Minister der Neuen Ordnung, unter anderem Geheimdienstminister Ta-Gad, ein beachtlich breit gebauter Draxyll, der mit Galet einst zusammen im Nachrichtendienst der Friedenswächter tätig gewesen war – und nicht zu vergessen Kryptomaschinisten wie der greise Skria Yor, ein ehemaliger Professor an der Universität von Teriam. Wie Galet und Dutzende andere Funktionäre des Kults hatte auch Yor seinen Tod vorgetäuscht, um vor den Augen der Welt zu verschwinden.
Nicht alle trugen das Schwarz des Kults, aber angesichts der außergewöhnlichen Eile war Galet bereit, dies zu vergeben. Er selbst hatte es auch eben erst erfahren und einige Zeit gebraucht, den Schrecken abzuschütteln: Die Stadt Xanata existierte nicht mehr. Dafür gab es in gut einem Dutzend anderer Städte Fälle von Verseuchung durch Dunklen Äther. Alle bisherigen Hilfsmaßnahmen der Weißmäntel hatten darin bestanden, den Luftverkehr umzuleiten und das kontaminierte Gebiet vom Rest des Planeten abzuschneiden, während Tausende begannen, die Symptome von Strahlenkrankheit an sich zu bemerken.
Kriegsminister Weron flatterte zu ihm; das Gesicht des alten Yadi war eine gemeißelte Studie von Würde und Entschlossenheit. Sein zum Pferdeschwanz gebundenes Haar leuchtete schlohweiß. »Galet, mein Junge, wussten Sie von Xanata?«
»Bis vor fünfzehn Minuten nicht. Bevor Sie fragen: Nein, meines Wissens hat der Gebieter keine Aktion dieser Art genehmigt.«
Weron nickte. Verschlungene Muster waren auf die Lederhäute seiner Flügel tätowiert. »Das hätte mich auch überrascht«, sagte er. Seine Stimme ließ Galet trotz ihrer Winzigkeit an einen schartigen Säbel denken. »Sabotage also?«
»Es würde mich nicht wundern. Es wäre der erste Unfall dieser Art.« Der Adlatus zuckte mit den Achseln. »Wollen Sie meine Theorie hören?«
»Unbedingt«, sagte der alte Mann.
»Der Zwischenfall in Tian-Dshi letzte Nacht hat anscheinend das Fass zum Überlaufen gebracht. Die
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