Rückkehr nach Kenlyn
nur ihren Flügelschlag hören, wenn sie nicht vor sich hinsummte.
Liyen!
Ihr Passagier hatte das Oberdeck also unerlaubterweise verlassen. Was für eine Überraschung.
Endriel stand auf und schüttelte den Kopf, um die letzte Müdigkeit abzuwerfen, dann schlich sie sich zur Tür. Die Schritte waren mittlerweile fast verklungen, Liyen musste längst unten angekommen sein.
So leise sie konnte, schob Endriel die Tür auf und setzte vorsichtig Schritt um Schritt in den Korridor. Am Ende der Wendeltreppe sah sie den Schein von Lichtkugeln. So geräuschlos wie möglich folgte sie den Stufen nach unten. Nach einigen Schritten ging sie in die Hocke und hatte sie genau im Visier:
Liyen stand mit dem Rücken zu ihr, vor den im Raum verteilten Kisten. Sie bückte sich, schob einen der Holzkästen zur Seite ...
»Ich bin wirklich sehr gespannt auf deine Ausrede!«, rief Endriel und polterte die letzten Treppenstufen hinab.
Liyen wirkte jedoch keineswegs ertappt. Als Antwort legte sie den Zeigefinger an die Lippen.
»Was soll das?« Endriel stemmte die Hände in die Hüften. Sie wusste, dass sie Liyen trotz ihrer Größe überwältigen konnte. Dennoch war es vielleicht besser, Keru zur Hilfe zu rufen, nur um ganz sicher zu gehen. »Ich hab dich gefragt, was ...?«
»Du musst das doch auch hören!«
»Was?«
»Das verdammte Geräusch!«
»Welches –?« Endriel brach ab und spitzte die Ohren. Tatsächlich, jetzt nahm sie es auch wahr: ein feines, unnatürliches Piepen, das sie mehr fühlte, als dass sie es hörte. Was war das? Irgendeine Fehlfunktion der Maschinen?
»Ich war gerade im Korridor, auf dem Weg zum Klo. Da habe ich es gehört. Du weißt ja, ich hab –
»Ein Gehör wie ein Skria, ja.«
»Also bin ich hier runtergekommen, um nachzusehen.«
»Warum hast du nichts gesagt?«
Liyen zuckte die Achseln. »Ich bin es gewohnt, die Dinge auf eigene Faust zu erledigen.«
»Das nächste Mal sagst du vorher Bescheid!«
»Ich dachte, es gibt kein nächstes Mal?«, fragte Liyen, jedoch ohne auf eine Antwort zu warten. Sie drehte sich zu den Kisten. »Was ist das, verdammt? Es macht mich völlig verrückt!«
Zusammen mit ihr horchte Endriel an den Frachtbehältern. Es dauerte nicht lange, bis sie den Ursprung des Geräuschs ausmachen konnte: eine unscheinbare Kiste, eingekeilt zwischen zwei Wassertanks.
Als sie den Holzkasten berührte, spürte sie ein leichtes Vibrieren unter ihrer Handfläche. Ein flattriges Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit. Hilfsgüter sollten eigentlich weder piepen noch vibrieren.
Hastig hob sie den Deckel ab und leerte die Kiste. Sie fand Verbandsmaterial, Seife, Decken – jedoch nichts Verdächtiges.
Liyen war ihr bereits einen Schritt voraus: Sie hatte ein kleines Brecheisen aus Kerus Werkzeugkasten genommen und reichte es weiter. »Hier!«
Endriel fand eine Stelle, das Eisen anzusetzen. Tatsächlich, ein falscher Boden! Sie hebelte ihn unter Mühen auf.
Was sie darunter fand, überraschte sie nicht wirklich.
Es war eine Maschine, breit und flach wie ein Pfannkuchen, mit metallischen Spinnenarmen, die an den echten Kistenboden genagelt waren. Bunte Lichter blinkten, während das Ding fröhlich vor sich hinfiepte und piepte und dabei immer lauter wurde.
»Ein Peilsender«, stellte Endriel trocken fest. Sie begann, die Nägel mit dem Brecheisen zu lösen.
»Was? Das ergibt doch keinen Sinn! Wenn einer einen Peilsender versteckt, will er doch nicht, dass dieser Geräusche macht!«
»Er hat die Durchsuchung von vorhin wohl nicht gut überstanden. Geh zurück!« Endriel schmetterte die Maschine zu Boden; alle Lichter und Geräusche verstummten.
»Ich nehme alles zurück, was ich über Paranoia gesagt habe«, sagte Liyen.
Endriel sah sie an: Liyen schien den gleichen Gedanken zu haben wie sie. Sofort machten sie sich über die restlichen Kisten her, rissen die Deckel auf, schütteten den Inhalt heraus, suchten nach doppelten Böden und anderen Verstecken.
»Fehlanzeige!«, sagte Liyen.
Auch Endriel war nicht fündig geworden. Nur beruhigte sie das überhaupt nicht.
» Was zum Henker tut ihr da? «
Sie erschrak, als Kerus Stimme durch den Raum dröhnte. Er stand am Ende der Treppe und funkelte sie an.
»Wir haben einen Peilsender gefunden!«, erklärte Liyen.
» Sie hat ihn gefunden«, präzisierte Endriel.
Kerus Ohren zuckten. »Was? Wo?«
»In den Kisten unserer sauberen Kundschaft. Keine Sorge, ich hab ihn zerstört!« Sie deutete mit dem Fuß auf die Trümmer des
Weitere Kostenlose Bücher