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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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funktioniert!«

18. Durch die Nacht
    »Feiglinge überleben.«
    – Sprichwort
    Ein Rauschen und Zischen drang an Mikos Ohren; erst gedämpft, als hätte ihm jemand ein Kissen um den Kopf gebunden, dann immer deutlicher, während er langsam zu sich kam. Dann dröhnte eine Explosion direkt über ihm; er riss keuchend die Augen auf – und schloss sie gleich wieder, als etwas vom Himmel fiel und ihn blendete. Er versuchte es erneut, schirmte die Augen mit der Hand ab und sah hinauf zu den Baumspitzen über sich und den schwarzen Wolken, die darüber brodelten. Es herrschte immer noch stockfinstere Nacht; Regen drang zwischen den Ästen hindurch und ein Blitz erhellte für eine Sekunde die Dunkelheit.
    Erst jetzt merkte Miko, wie er am ganzen Leib zitterte. Sein Haar, sein Hemd, seine Hose, selbst die Schuhe, alles war klitschnass und eiskalt. Er versuchte, sich aufzurappeln, nur waren seine Beine noch zu schwach und er landete mit dem Hintern auf Ästen und Moos. Einen Moment lang war sein Blick wie benebelt, dennoch erkannte er ringsum Baumstämme, die ihm die Sicht versperrten. Wasser spritzt in alle Richtungen, als er heftig seinen Kopf schüttelte, um zumindest halbwegs klar denken zu können – allerdings machte es ihn auch auf die pulsierende Beule auf der Rückseite seines Schädels aufmerksam. Und da war ein Kribbeln in seinen Gliedern, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen.
    Was ist passiert? Die Erinnerungen kehrten nur langsam zurück: der Angriff der Schatten, die Flucht in den Wald ...
    Die anderen!
    Miko kämpfte sich erneut auf die Beine. Er schwankte einen Moment, doch schon nach ein paar Schritten fand er sein Gleichgewicht wieder.
    »Kapitän?«, rief er so laut er konnte. Nur eine Krähe antwortete aus den Ästen über ihm, während der Regen gleichgültig zu Boden prasselte. »Nelen? Keru? Xeah?«
    Die Rufe vergingen ungehört im Wald. Donner grollte.
    Miko kämpfte gegen seine aufsteigende Panik an. Wo waren sie? Und warum hatte man ihn zurückgelassen?
    Ich muss sie suchen!
    Er lief los; das Unterholz war nass und glitschig, und mehr als einmal stolperte er. Weiße Wölkchen erschienen bei jedem Atemzug vor seinem Mund, als würde die letzte Wärme aus seinem Körper weichen.
    Nach einer Weile hielt er inne: Knapp am Rande seines Gesichtsfelds hatte er etwas registriert, das aussah, wie ein großer Haufen schmutzigweißer Lumpen. Erst als er näher kam, erkannte er, was es wirklich war.
    »Xeah!«
    Sie lag dort im Regen, nass bis auf die Knochen, den Schädel von ihm weggedreht. Sie bewegte sich nicht.
    »Xeah!« Miko rannte zu ihr; ein feuchter Schleier bildete sich vor seinen Augen. Er dachte daran, wie er sie gestern gefunden hatte, auf dem Boden der Küche, und er traute sich kaum, sich ihr weiter zu nähern. Als er ihre Hand berührte, war diese so klamm, dass er abermals erschrak.
    Sie ist tot! Er versuchte, Luft zu holen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt.
    Dann hörte er ihre Stimme, ganz leise, ganz schwach: »Kalt«, flüsterte sie. »So kalt ...«
    Miko erwachte aus seiner Starre, ein kleiner Funke glomm in seiner Brust. »W-Warte, ich helfe dir!« Wie schon tags zuvor kniete er sich hin, legte ihren Arm um seine Schulter und stemmte sie in die Höhe. Xeahs Augen waren winzige Schlitze. Ihr Gewicht zog wie ein dicker, durchnässter Sandsack an ihm. Miko wäre fast mit ihr zusammen umgekippt, hätte er sich nicht im letzten Moment wieder gefangen.
    »I-Ich bring dich zurück zur Korona! Alles wird wieder gut!«
    Ein Blitz leuchtete auf.
    »Xeah, hast du mich gehört?«
    »Endriel«, wisperte sie.
    »Der Kapitän ist fort. Und die anderen ...« Mikos Stimme brach wie dünnes Glas, während Regentropfen und Tränen sich mischten und über seine kalten Wangen rollten. Er versuchte, Xeah Huckepack zu tragen, so wie Keru es getan hatte, doch dazu fehlten ihm die Muskeln. »Ich weiß nicht, wo sie sind, aber alles wird wieder gut, bestimmt!« Wenn er nur selbst daran glauben könnte ...
    Er wählte eine Richtung, irgendeine Richtung, und setzte sich mühsam in Bewegung. Während er einen Schritt nach dem anderen tat, hielt er die alte Draxyll fest, als hinge ihr Leben davon ab. Was wahrscheinlich der Fall war. Ihr Kopf lag dicht neben seinem; er spürte ihren Atem auf seiner Wange und hatte das schwache, winselnde Tuten ihres Horns im Ohr.
    Ich muss zum Schiff!, sagte er sich, ohne zu wissen, ob es sich noch auf der kleinen Lichtung befand und wie er dorthin gelangen sollte.

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