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Rückkehr nach Killybegs

Rückkehr nach Killybegs

Titel: Rückkehr nach Killybegs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sorj Chalandon
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Bitterkeit. Ich genoss es. Trank dieses starke, schwarze Gebräu aus Erde und Blut, das mein Lebenselixier werden sollte.
    »Wir trinken unsere Erde. Wir sind keine Männer mehr. Wir sind Bäume«, sang mein Vater, wenn er glücklich war.
    Die anderen stellten die Gläser hin, setzten die Mützen auf und verließen den Pub. Er nicht. Bevor er aus der Tür trat, erzählte er immer noch eine Geschichte. Nahm noch ein letztes Mal die Aufmerksamkeit in Beschlag. Dann erst stand er auf und zog seinen Mantel an.
    Schließlich gingen wir beide nach Hause. Er schwankend, ich in dem Glauben, ihn zu stützen. Er zeigte auf den Mond, den hellen Weg: »Das Licht der Toten.«
    Im Schein des Mondes bewegten wir selbst uns schon wie Gespenster. In einer nebligen Nacht nahm er mich an der Schulter. Versprach mir vor den umflorten Hügeln, dass nach dem Leben alles so wäre, still und schön. Dass ich mich vor nichts mehr fürchten müsse. Als wir am Dorfende das Schild mit dem durchgestrichenen NA CEALLA BEAGA passierten, versicherte er mir, dass im Paradies Gälisch gesprochen werde. Dass der Regen dort so fein sei wie heute Abend, aber wärmer, und dass er nach Honig schmecke. Er lachte. Schlug mir den Jackenkragen hoch, um mich vor der Kälte zu schützen. Einmal nahm er mich auf dem Rückweg sogar bei der Hand. Und ich – war traurig. Ich wusste, dass diese Hand wieder zur Faust werden würde, die Zärtlichkeit zur Eisenhärte. In einer Stunde oder morgen und ohne dass ich wüsste, warum. Aus Gemeinheit, Stolz, Ärger, Gewohnheit. Ich war in seiner Hand, ein Gefangener. In jener Nacht aber, als meine Finger sich mit seinen verschränkten, nutzte ich seine Wärme.
    *
    Mein Vater war Mitglied der Irisch-Republikanischen Armee. Ein volunteer , gälisch óglach , einfacher Soldat der IRA-Brigade von Donegal. 1921 widersetzte er sich mit ein paar Kameraden dem mit den Briten ausgehandelten Waffenstillstand. Er lehnte die Grenzziehung, die Schaffung Nordirlands, die Zweiteilung unserer Heimat ab. Er wollte bis zur letzten Patrone kämpfen und die Engländer aus dem ganzen Land vertreiben. Nach dem Unabhängigkeitskrieg gegen die Briten brach bei uns der Bürgerkrieg aus.
    »Verräter, Feiglinge, alle bestochen!«, schäumte mein Vater gegen seine früheren Waffenbrüder, die sich hinter den Burgfrieden stellten.
    Diese Fahnenflüchtlinge seien von den Engländern bewaffnet und uniformiert worden, um auf ihre Kameraden zu schießen. Sie hätten nichts Irisches mehr an sich außer unserem Blut an ihren Händen.
    Mein Vater wurde von den Briten ohne Urteil interniert, zum Tode verurteilt und begnadigt. 1922 wurde er erneut verhaftet, diesmal von den Iren, die sich auf die Seite des Kompromisses geschlagen hatten. Das hat er mir nie erzählt, aber ich wusste es. Nach sechs Jahren saß er wieder im selben Gefängnis, in der gleichen Zelle. Und wurde von seinen ehemaligen Gefährten genauso misshandelt wie zuvor vom Feind. Sie schlugen ihn eine Woche lang. Die Soldaten des neuen Freistaats Irland wollten wissen, wo sich die letzten IRA-Kämpfer versteckten, die Aufsässigen, die Ungehorsamen. Wollten die geheimen Waffenlager der Rebellen finden. In diesen Stunden, Tagen, Nächten der Gewalt quälten diese Schweine meinen Vater auf Englisch, die Stimme mit demStahl des Feindes gerüstet. Als wollten sie unsere Sprache heraushalten.
    »Sind Sie Engländer?«, hatte ihn einmal eine alte Amerikanerin gefragt.
    »Nein, im Gegenteil«, hatte mein Vater darauf geantwortet.
    Wenn mein Vater mich schlug, war er sein Gegenteil.
    Im Mai 1923 legten die letzten óglachs der IRA ihre Waffen nieder, und Papa wurde alt. Unser Volk war getrennt. Irland in zwei Teile zerrissen. Pat Meehan hatte den Krieg verloren. Er war kein Mann mehr, nur noch ein Verlierer. Er begann zu viel zu trinken, herumzubrüllen, sich zu prügeln. Seine Kinder zu schlagen. Als seine Armee sich ergab, waren es drei. Am 8. März 1925 gesellte ich mich zu Séanna, Róisín und  Mary hinzu, die kreuz und quer in dem großen Bett schliefen. Sieben weitere sollten noch aus dem Bauch meiner Mutter kommen. Zwei haben nicht überlebt.
    *
    Im November 1936 habe ich den Mut meines Vaters zum letzten Mal aufflackern sehen. Er kam aus Sligo zurück. Dort hatte er mit anderen IRA-Veteranen eine öffentliche Versammlung der »Blauhemden« angegriffen, der irischen Faschisten, die in Spanien an der Seite von General Franco kämpfen wollten. Nach der Auseinandersetzung, die mit Fäusten und

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