Rueckkehr nach River's End
erzählen.«
»Und Sie glauben, daß er Ihnen die Wahrheit sagen wird?« Bitterkeit ließ seine Stimme brechen. »Sie glauben, daß der Mann, der meine Tochter ermordet hat, der sie förmlich in Stücke geschnitten hat, dazu fähig ist, die Wahrheit zu sagen?«
»Das weiß ich nicht, aber ich versichere Ihnen, daß ich Wahrheit und Lügen auseinanderhalten kann. Ich habe nicht vor, Tanners Buch zu schreiben. Ich habe nicht vor, seine Vep- sion ungeprüft zu Papier zu bringen. Ich werde mit allen sprechen, die betroffen oder in den Fall verwickelt waren. Damit habe ich bereits angefangen. Deshalb bin ich hier, Mr. MacBride, um Ihren Standpunkt zu verstehen und ihm gerecht zu werden.«
»Julie war das Licht meines Leben, und er hat es ausgelöscht. Welchen Standpunkt haben Sie von mir erwartet?«
»Sie kannten die beiden wie niemand sonst. Darauf kommt es an.«
Rob hob die Hände und rieb sein Gesicht. »Noah, haben Sie eine Vorstellung davon, wie oft wir während der ersten beiden Jahre nach Julies Tod darauf angesprochen wurden? Wir sollten Interviews geben, Bücher, Filme, Fernsehsendungen autorisieren.«
»Das kann ich mir vorstellen, und mir ist bekannt, daß sie alle Anfragen abgelehnt haben.«
»Alle«, bekräftigte Rob. »Man hat uns unglaubliche Summen angeboten, Versprechungen gemacht, uns gedroht. Unsere Antwort blieb nein. Woher nehmen Sie die Hoffnung, daß ich jetzt, nach all den Jahren, ja sagen werde?«
»Weil ich Ihnen kein Geld anbiete oder Sie bedrohe, sondern Ihnen nur ein Versprechen gebe: Ich werde die Wahrheit erzählen, und dadurch lasse ich Ihrer Tochter Gerechtigkeit widerfahren.«
»Vielleicht stimmt das«, sagte Rob nach einer Weile. »Ich glaube Ihnen sogar, daß Sie es versuchen werden. Aber Julie ist tot, Noah, und ich muss an meine Familie denken.«
»Ist es denn besser für sie, wenn das Buch ohne Ihr Zutun entsteht?«
»Ich weiß nicht. Die Wunde ist zwar nicht mehr offen, aber von Zeit zu Zeit schmerzt sie immer noch. Es hat Augenblicke gegeben, in denen ich mich äußern wollte, aber sie sind vorübergegangen.« Er stieß einen langen Seufzer aus. »Ein Teil von mir, das muss ich zugeben, möchte nicht, daß Julie und das, was ihr passiert ist, in Vergessenheit gerät.«
»Ich habe es nicht vergessen.« Noah wartete, bis Robs Blick wieder auf seinem Gesicht ruhte. »Erzählen Sie mir die Dinge, von denen Sie wollen, daß man sich an sie erinnert.«
Achtzehntes Kapitel
D as Naturkundezentrum war von jeher Olivias Projekt gewesen - ihr Konzept, ihr Entwurf und in gewisser Weise ihr Heiliger Gral.
Sie hatte darauf bestanden, Geld aus dem Erbe ihrer Mutter dafür zu verwenden, und mit einundzwanzig Jahren und dem Collegeabschlu ss in der Tasche hatte sie den notwendigen Betrag von ihrem Treuhandfonds abgehoben und ihren Traum verwirklicht.
Sie hatte den Bau des Zentrums selbst überwacht, von der Grundsteinlegung bis zur Anordnung der Sitze in dem kleinen Auditorium, in dem kurze Dokumentationsfilme über die Flora und Fauna der Gegend gezeigt wurden. Sie hatte jedes Dia und jede Schautafel im Empfangsbereich persönlich ausgewählt, Gespräche mit Bewerbern geführt und Personal eingestellt, ein maßstabgetreues Modell vom Quinault-Tal und dem Regenwald in Auftrag gegeben. Und sie führte die vom Zentrum angebotenen Wanderungen häufig selbst.
Noch nie war ihr Leben so erfüllt gewesen wie in dem Jahr seit Eröffnung des Zentrums.
Sie würde nicht zulassen, daß Noah Brady ihren sorgfältig erkämpften Seelenfrieden störte.
Obwohl sie in Gedanken nur halb bei der Sache war, erzählte sie ihrer kleinen Besuchergruppe gerade von den Säugetieren der Gegend.
»Der Roosevelt- oder Olympic-Elch ist der größte unter den Wapitihirschen. Große Herden von Roosevelt-Elchen haben sich auf der Olympic-Halbinsel niedergelassen. Im Grunde verdanken wir diesen einheimischen Tieren den Erhalt des Gebiets, denn Präsident Theodore Roosevelt erklärte Mount Olympus während der letzten Tage seiner Amtszeit zum Nationaldenkmal, um ihre Brunft- und Weideplätze zu schützen.«
Die Tür öffnete sich, Olivia blickte auf und spürte, daß ihre Nerven zum Zerreißen gespannt waren.
Noah nickte ihr kurz zu, grinste leicht und begann dann, im Hauptbereich umherzuwandern und dabei nasse Fußspuren zu hinterlassen. Trotzig setzte Olivia ihren Vortrag fort, kam von den Elchen auf Schwarzschwanzrehe zu sprechen, von den Rehen auf Marder, aber als sie bei Castor canadensis, dem Biber,
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