Rueckkehr nach River's End
ihrer Kehle brannten Worte, die unbedingt hinaus wollten. »Willst du damit sagen, daß er sterben muss ?«
»Er hat einen Gehirntumor, ihm bleiben nur noch ein paar Monate. Komm her, du muss t dich hinsetzen.«
Er nahm ihren Arm, aber sie schüttelte ihn ab. »Faß mich nicht an.« Sie drehte sich um und ging schnell durch die nächste Tür.
Leise fluchend folgte er ihr.
Als sie mit langen, eiligen Schritten in ein Büro neben dem Auditorium einbog, holte er sie endlich ein und wäre fast vor die Tür gelaufen, die Olivia energisch hinter sich ins Schloss ziehen wollte.
Es gelang ihm, sie abzubremsen. Behutsam machte er sie hinter sich zu.
»Dieser Bereich ist nur für Mitarbeiter.« Was eine dumme Lüge ist, dachte sie. Aber etwas Besseres wollte ihr auf die Schnelle nicht einfallen. »Verschwinde.«
»Setz dich hin.« Er ergriff erneut ihren Arm, führte sie um den Schreibtisch herum zu ihrem Stuhl. Sie befanden sich in einem kleinen, funktionell eingerichteten Raum, und er hockte sich hin, konzentrierte sich ganz auf Olivia.
»Tut mir leid.« Er nahm ihre Hand, ohne daß die Geste einem von ihnen bewusst wurde. »Ich hätte dich damit nicht auf diese Weise konfrontieren dürfen, aber ich war davon ausgegangen, daß Jamie es dir erzählt hat.«
»Hat sie nicht. Und es ist auch egal.«
»Das ist es nicht. Möchtest du ein Glas Wasser oder etwas anderes?« Er sah sich um, in der Hoffnung, einen Kühlschrank zu entdecken, einen Becher, irgend etwas, um sich zu beschäftigen.
»Ich brauche nichts. Mir geht es blendend.« Sie entdeckte plötzlich, daß ihre Hand in seiner lag. Peinlich berührt schüttelte sie die Hand ab.
»Steh auf, um Gottes willen! Es fehlt gerade noch, daß jemand hereinkommt und dich zu meinen Füßen knien sieht.«
»Ich habe nicht gekniet.« Trotzdem richtete er sich auf und ließ sich auf der Schreibtischkante nieder.
An Olivia hatte sich mehr als nur ihr Haar verändert. Sie war um einiges härter, um einiges nervöser als die schüchterne Studentin, in die er sich verliebt hatte.
»Du hast doch mit Jamie darüber gesprochen, daß ich mit dir reden will?«
»Ja.«
»Warum hat sie dir dann nicht gesagt, daß Sam todkrank ist?«
»Wir haben uns gestritten.« Olivia lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Inzwischen war ihr nicht mehr schwindlig, sie fühlte sich nur müde. »Wir streiten uns sonst nie, das ist also noch so eine Sache, die ich dir und deinem Buch verdanke. Wenn sie vorhatte, es mir zu erzählen, ist es wohl im Eifer des Gefechts untergegangen.«
»Er will seine Geschichte loswerden, bevor er stirbt. Ansonsten wäre sie für immer verloren. Würdest du das tatsächlich wollen?«
Die Gefühle, die Olivia so lange unterdrückt hatte, bahnten sich ihren Weg an die Oberfläche. »Dir ist doch egal, was ich will, du ziehst die Sache sowieso durch. Das hattest du schon immer vor.«
»Ja, das stimmt. Nur sage ich es dir diesmal von Anfang an. Wie ich es damals hätte tun sollen.«
Abermals wurde ihr Gesichtsausdruck verschlossen. »Du denkst nur an dich. Und er will sein Gewissen erleichtern, bevor es zu spät ist. Was verspricht er sich davon? Vergebung? Rettung?«
»Vielleicht Verständnis. Ich glaube, er will selbst verstehen, wie es dazu kommen konnte. Ich muss deine Version hören, Liv. Alle anderen, mit denen ich spreche, sind Teile des Ganzen, aber du bist der Schlüssel. Dein Großvater behauptet, du hättest ein fotografisches Gedächtnis. Stimmt das?«
»Ja«, sagte sie gedankenverloren. »Ich sehe Wörter. Es ist nur... mein Großvater?« Sie sprang auf die Füße. »Du hast mit meinem Großvater gesprochen?«
»Direkt nach dem Frühstück.«
» Lass ihn in Ruhe.«
»Er kam an meinen Tisch, ich hatte den Eindruck, daß er das bei allen Gästen macht. Ich habe ihm gesagt, wer ich bin und was ich vorhabe. Wenn es dir nicht passt , daß er dazu bereit ist, mit mir zu sprechen, muss t du dich mit ihm auseinandersetzen.«
»Er ist über siebzig. Du hast kein Recht dazu, ihm das an- zutun.«
»Ich kann nur hoffen, daß ich mit siebzig noch so gut in Form bin wie er. Übrigens habe ich ihn nicht auf die Folterbank geschnallt und seine Mitarbeit erpreßt.« Verdammt, wie schaffte sie es nur immer wieder, Schuldgefühle in ihm auszulösen? »Wir haben uns bei einer Tasse Kaffee unterhalten. Dann erklärte er sich zu einem Tonbandinterview in meinem Zimmer bereit. Als wir fertig waren, ist er keineswegs als gebrochener Mann hinausgeschlichen. Im Gegenteil, er
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