Rueckkehr nach River's End
sein Buch hatten ihre Familie bereits gespalten.
Aber sie hatte sich dagegen gewappnet, ihm wieder gegenüberzutreten, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Schließlich war sie nicht mehr das naive, leicht zu beeindruckende Mädchen, das sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte.
So hatte sie gedacht, bis er die Tür geöffnet und sie angelächelt hatte. Ähnlich wie vor sechs Jahren. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß ihr Herz abermals brechen würde, nicht, nachdem sie soviel Zeit und Mühe auf seine Heilung verwandt hatte.
Wut war erträglicher als Schmerz.
Dennoch war sie die Situation falsch angegangen.
Sie hatte sich vorgenommen, direkt nach seiner Ankunft in sein Zimmer zu gehen, um vernünftig und unter vier Augen mit ihm zu sprechen. Dabei hatte sie ruhig bleiben, ihm jeden ihrer Einwände detailliert klarmachen wollen.
Denn er war Frank Bradys Sohn, und Frank gehörte zu den wenigen Menschen, denen sie bedingungslos vertraute.
Sie hatte sich genau zurechtgelegt, was sie sagen, und wie sie es sagen würde.
Willkommen in River's End, Noah. Schön, dich zu sehen. Darf ich einen Augenblick hereinkommen?
Vernünftig, ruhig, rational. Aber auf dem Weg zu seinem Zimmer hatte ihre Angst Oberhand gewonnen, und sie hatte ihre Wut wie eine Waffe benutzt, um dagegen anzukämpfen.
Dann hatte er die Tür geöffnet und sie angelächelt. Unverkennbar erfreut gelächelt, dachte sie nun, während sie ihre Wange auf ein angezogenes Knie legte. Als ob Verrat und Täuschung nie stattgefunden hätten.
Und er hatte so fröhlich und attraktiv ausgesehen - sein Haar dunkel und noch feucht von der Dusche, seine moosgrünen Augen so glücklich strahlend - daß ein Teil von ihr zurücklächeln wollte.
Statt dessen war sie zum Angriff übergegangen.
Sie wollte in Frieden gelassen werden. Sie wollte ihre Welt schützen und ihre Ruhe haben.
Warum hatte Sam Tanner Noah geschrieben? Wütend blinzelte sie. Sie wollte nicht daran denken, nicht an ihn denken. Sie wollte es gar nicht wissen. Das alles hatte sie längst hinter sich gelassen.
Dies zu erreichen, hatte Jahre gedauert. Jahre mit heimlichen Besuchen auf dem Dachboden, Alpträumen, Jahre der schmerzhaften, schuldbe wusste n Suche nach Informationen über ihre Eltern.
Und nachdem sie alles herausgefunden hatte, was es zu entdecken gab, hatte sie es beiseite geschoben, sich auf Gegenwart und Zukunft konzentriert. Sie hatte Frieden gefunden, ihrem Leben eine Richtung gegeben, zog Befriedigung aus ihrer Arbeit.
Das alles war nun gefährdet, weil Sam Tanner aus dem Gefängnis entlassen werden würde und Noah Brady an einem Buch arbeitete. Diese Tatsachen konnte sie nicht ignorieren.
Als die Labradorhündin den Pfad entlangsprang, blickte Olivia auf.
»Auf dich kann ich mich immer verlassen, nicht wahr?« Sie schmiegte sich an Shirleys Hals, bevor sie aufstand. » Lass uns heimgehen, Mädchen. Lass uns nach Hause gehen und uns später Gedanken machen.«
Das Essen war erstklassig. Noah gab den MacBrides die Spitzennote für die Küche im Gästehaus. Der Service war so gut wie das Essen - warm und freundlich, ohne aufdringlich zu wirken.
Sein Bett war bequem, und wenn ihm danach gewesen wäre, hätte er aus einer beachtlichen Kollektion von Videofilmen wählen können.
Aber er hatte lieber gearbeitet und fand nun, daß er sich einen freien Vormittag redlich verdient hatte.
Das Problem ist nur, überlegte er, als er durch das Fenster in den gleichmäßig plätschernden Regen schaute, daß das Wetter leider nicht ganz so überzeugt wie die übrigen Einrichtungen.
Nicht etwa, daß die Broschüren ihn nicht vor regnerischen Frühlingstagen gewarnt hätten. Und niemand konnte behaupten, daß der Blick nach draußen nicht malerisch wirkte. Zwar verspürte er kein dringendes Verlangen, in seine Regenausrüstung zu steigen und eine Wanderung zu unternehmen, aber es war durchaus gemütlich, das Wetter von der behaglichen Wärme des Gästehauses aus zu beobachten.
Den Fitneßraum hatte er bereits inspiziert und festgestellt, daß er seit seinem letzten Besuch ausgebaut und modernisiert worden war. Ein überdachter Pool war dazugekommen. Angesichts des Wetters konnte er sich jedoch gut vorstellen, daß auch andere auf die Idee gekommen waren, schwimmen zu gehen, und der Gedanke an kreischende, plantschende Familien paßte nicht in seine Pläne.
Er könnte sich massieren lassen, oder sich in die Bibliothek setzen, die er am Vorabend entdeckt, gut ausgestattet und gemütlich
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