Rueckkehr nach River's End
angelangt war und die Erinnerung an jenen Tag am Flußufer aufflackerte, bedeutete sie einem ihrer Angestellten zu übernehmen.
Am liebsten hätte sie sich umgedreht und sich in ihr Büro verkrochen. Uberfällige Büroarbeit war immer eine gute Ausrede. Aber sie wusste , daß diese Flucht feige wirken würde. Schlimmer noch, Olivia würde sich feige fühlen. Also ging sie auf Noah zu und stellte sich neben ihn, während er scheinbar fasziniert eins der vergrößerten Dias betrachtete.
»Das ist also eine Spitzmaus.«
»Eine Wandermaus, sorex vagrans, weit verbreitet in dieser Region. Daneben gibt es noch die Trowbridge-, die Masken- und die dunkle Spitzmaus. Außerdem pazifische Wasserspitzmäuse, nordamerikanische Wasserspitzmäuse und Maulwurfspitzmäuse. Die Maskenspitzmaus kommt übrigens eher selten vor.«
»Ich glaube, ich kenne nur Stadtmäuse.«
»Das ist ein ziemlich lahmer Witz.«
»Zugegeben, aber irgendwie muss man ja anfangen. Du hast hier tolle Arbeit geleistet, Liv. Ich wusste , daß du es schaffen würdest.«
»Tatsächlich? Mir war gar nicht bewusst , daß du meinem Geplapper damals viel Bedeutung beigemessen hast.«
»Ich habe allem, was dich betraf, Bedeutung beigemessen. Allem, Olivia.«
Sie machte einen Schritt zurück, ver schloss sich.
Noah ging weiter und sah sich eine für seinen Geschmack besonders hässliche Kreatur an, die sich Langohrfledermaus nannte. »Würdest du mir hier alles zeigen?«
»Du interessierst dich doch nicht im entferntesten für die Natur, warum sollten wir also unsere Zeit damit vergeuden?«
»Entschuldige bitte, aber du sprichst mit einem Mann, der mit Walgesängen und dem Elend des Pelikans aufgewachsen ist. Ich bin Mitglied bei Greenpeace, den Naturschützern und der World Wildlife Federation und bekomme jedes Jahr einen Kalender.«
Beinahe hätte sie gelächelt, doch statt dessen seufzte sie. »Die Dokumentation wird einmal pro Stunde im Auditorium gezeigt. In zehn Minuten kannst du sie dir hinter der Tür dort links ansehen.«
»Gibt's hier irgendwo Popcorn?«
Weil sich ihre Lippen abermals fast zu einem Lächeln verzogen hätten, wendete sie sich ab. »Ich habe zu tun.«
»Hast du nicht.« Er nahm ihren Arm und hielt ihn, wie er hoffte, locker und unverbindlich fest. »Du kannst dich beschäftigen, aber du kannst genauso gut ein paar Minuten Pause machen.«
»Ich habe nicht vor, mit dir über meine Familie zu sprechen.«
»Dann Lass uns über etwas anderes reden. Wie bist du auf die Idee gekommen? Ich meine dies alles hier.« Er gestikulierte mit seiner freien Hand. »Das Gebäude ist sehr gut durchdacht, eindeutig interessanter als die meisten Naturkundezentren, durch die mich meine Mutter geschleift hat, bevor ich mich dagegen wehren konnte.«
»Ich bin Naturkundlerin, und ich wohne hier.«
»Komm schon, Liv, das kann doch längst nicht der alleinige Grund sein. Hast du auch Architektur studiert?«
»Nein, ich habe nicht Architektur studiert, ich habe es mir einfach so vorgestellt.«
»Das Ergebnis ist jedenfalls toll. Freundliche Farben, helle Räume. Was ist dort hinten?«
Er ging an der Rezeption vorbei, wo Bücher und Postkarten zum Verkauf angeboten wurden, und trat durch eine breite Tür.
»Hey, das ist wirklich cool.« Mitten in dem Raum zwischen ausgestellten Pflanzen und Tieren befand sich das Modell des Tals. »Aus der Vogelperspektive«, sagte er und beugte sich hinunter. »Und da sind wir. Das Gästehaus, das Zentrum.« Er tippte mit dem Finger auf die Glaskuppel. »Dort ist der Pfad, auf dem wir damals am Fluss entlang gewandert sind, nicht wahr? Noch nicht einmal den Biberbau hast du vergessen. Haben deine Großeltern kein Haus? Ich kann es nirgendwo entdecken.«
»Weil es privat ist.«
Er richtete sich auf und blickte ihr direkt in die Augen. »Hältst du dich unter dieser Glaskuppel hier versteckt, Liv? Wo niemand an dich rankommen kann?«
»Ich bin genau da, wo ich sein will.«
»Mein Buch dürfte daran kaum etwas ändern, aber es wird all die Schatten, die immer noch über den Ereignissen jener Nacht liegen, lüften. Ich habe eine Chance, die Wahrheit herauszufinden, die ganze Wahrheit. Sam Tanner spricht zum ersten Mal seit seiner Verurteilung, und ein Sterbender hat oft das Bedürfnis, sein Gewissen zu erleichtern, bevor es zu spät ist.«
»Ein Sterbender?«
»Der Tumor...«, begann Noah, stellte jedoch erschrocken fest, daß sie kreidebleich geworden war. »Tut mir leid. Ich dachte, du wüsstest davon.«
In
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