Rueckkehr nach River's End
tropfte in einem monotonen Trommeln vom Himmel. Die Dunkelheit verdichtete sich, als sie den Wald betraten, schien nach unten zu drücken und verwandelte den Nebel in einen Geisterfluß.
»Gott, was für eine Gegend.« Auf einmal fühlte Noah sich klein und erschreckend schutzlos. »Man kann sich direkt vorstellen, wie eine Hand aus dem Nebel kommt, nach deinem Fußgelenk greift und dich nach unten zieht. Dir bleibt gerade noch Zeit für einen kurzen Schrei, dann ist das einzige Geräusch... ein Schlürfen.«
»Oh, dann hast du also von unserem Waldungeheuer gehört?«
»Wie bitte?«
»Pro Jahr verschwinden etwa fünfzig Wanderer.« Nachlässig zog sie eine Schulter hoch. »Wir versuchen, es geheimzuhalten, wollen die Touristen nicht verschrecken.«
»Das ist gut«, murmelte Noah, musterte den Nebel jedoch misstrauisch . »Das ist sehr gut.«
»Das ist schlau«, korrigierte sie. »Sehr schlau.« Sie nahm eine Taschenlampe heraus und leuchtete damit direkt nach oben. Der Strahl schnitt durch die Dunkelheit und tauchte die Umgebung in verschwommene Schatten.
»Die Baumschicht besteht hier aus Sitkafichten, Hemlock- und Douglastannen und roten Zedern. Man unterscheidet sie an der Länge ihrer Nadeln, der Form ihrer Zapfen und natürlich am Muster ihrer Rinde.«
»Natürlich.«
Sie ignorierte ihn. »Die Bäume und die zahlreichen Epi- phyten halten das Sonnenlicht ab und verursachen dieses typisch grüne Dämmerlicht.«
»Was sind Epiphyten?«
»Parasiten. Farne, Moose, Flechten. In diesem Fall fügen sie ihren Wirten keinen wirklichen Schaden zu. Du kannst sehen, wie sie angeordnet sind, eine Art Dach in der Baumschicht bilden. Hier unten bedecken sie den Boden und die Stämme. Leben und Tod arbeiten hier unabhängig, auch ohne das Waldungeheuer.«
Olivia knipste die Lampe aus und verstaute sie wieder.
Unterwegs setzte sie ihren Vortrag fort. Mit halbem Ohr lauschte Noah ihrer Beschreibung der Bäume. Ihre Stimme klang angenehm, ein wenig kehlig. Er ging davon aus, daß ihre Abhandlung auf Laien zugeschnitten war, obwohl sie ihn ihren Wissensvorsprung nicht spüren ließ.
Eigentlich hatte er erwartet, sich zu langweilen, weil er diesen Umweg hatte wählen müssen, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Statt dessen war er fasziniert.
Trotz Regen und Nebel leuchtete der Wald grün, ein Pulsschlag aus einer anderen Welt betonte die dichten Farnbüschel und knotigen, moosbewachsenen Hügel. Überall tropfte und schimmerte es.
Über sich hörte er plötzlich ein Knacken und sah gerade noch, wie ein dicker Ast herunterfiel und auf den Waldboden krachte. »Da möchte man nicht drunterstehen.«
»Ein Witwenmacher«, erklärte sie ironisch grinsend.
Noch einmal taxierte er den Ast, der ihn beinahe zu Boden gerissen hätte. »Gut, daß wir nicht verheiratet sind.«
»Gelegentlich sammeln Epiphyten so viel Feuchtigkeit, daß ein Ast zu schwer wird und abbricht. Hier unten wird er zum Teil des Kreislaufs und ernährt andere Pflanzen.« Abrupt blieb Olivia stehen und hielt eine Hand hoch.
»Leise«, flüsterte sie und dirigierte ihn hinter den dicken Stamm einer Fichte.
»Was?«
Sie schüttelte den Kopf, hielt zwei Finger an seine Lippen und ließ sie dort, während er sich fragte, wie sie reagieren würde, wenn er daran zu knabbern begänne. Dann hörte er, was sie gehört hatte, und spürte, daß der Hund zwischen ihnen erzitterte.
Ohne die geringste Ahnung, was ihn erwartete, legte er in einer schützenden Geste eine Hand auf ihre Schulter und nahm dann durch die Bäume und Ranken die Geräusche großer Tiere in Bewegung wahr.
Sie traten aus der Dämmerung, wateten knietief durch den Nebel. Zwölf, nein, fünfzehn riesige Elche mit Geweihen wie Kronen.
»Wo sind die Damen?« murmelte er gegen Olivias Finger und erntete ein Stirnrunzeln.
Ein Elch stieß einen tiefen, röhrenden Ruf aus, der die Bäume erzittern ließ. Noah glaubte, die Tiere riechen zu können. Dann zogen sie weiter, verschwanden langsam im Dickicht.
»Die weiblichen Tiere leben zusammen mit den jüngeren männlichen in Herden«, erklärte Olivia. »Ältere Hirsche, wie wir sie gerade gesehen haben, leben in kleineren Herden, bis zum Spätsommer, wenn alle Regeln aufgehoben werden und sie miteinander kämpfen, um ihren Harem auszuwählen oder zu verteidigen.«
»Harem?« Er grinste. »Klingt gut. Waren das die Roosevelt- Elche?« erkundigte er sich dann. »Die Sorte, über die du gestern gesprochen hast?«
Falls sie überrascht war, daß er
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