Rueckkehr nach River's End
an deine Arbeit, ich habe schließlich noch genug zu tun.«
»Wenn er wieder hier ist, behalte ich ihn im Auge.« Rob zwinkerte, stand auf und ging zur Tür. Dann blieb er noch einmal stehen, legte eine Hand auf die Klinke und sah sich um. »Haben wir dich zu eng an uns gebunden, Livvy? Dich zu fest gehalten?« Er schüttelte den Kopf, bevor sie antworten konnte. »Ob ja oder nein, du bist eine wunderbare Frau geworden. Deine Mutter wäre stolz auf dich.«
Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, setzte Olivia sich wieder hin und kämpfte gegen Tränen der Freude und Trauer an. Sie hoffte, daß er recht hatte, daß ihre Mutter stolz wäre und ihre Tochter nicht als eine Frau sehen würde, die zu distanziert, zu hart, zu ängstlich war, um sich jemandem außerhalb der Familie zu öffnen.
Würde die schöne, kluge Julie ihre Tochter fragen, wo ihre Freunde waren? Die Jungen, nach denen sie sich gesehnt, die Männer, die sie geliebt hatte? Wo sind die Menschen, die du berührt hast und die ein Teil deines Lebens geworden sind?
Es gab niemanden. Niemanden.
Das machte sie plötzlich so unerträglich traurig, daß die Tränen schon wieder fließen wollten. Doch sie drängte sie zurück, starrte auf das Paket auf ihrem Schreibtisch.
Noah, dachte sie. Er versuchte, zu ihr durchzudringen. War es nicht höchste Zeit, daß sie es zuließ?
Sie nahm das Leatherman-Messer aus der Tasche und zerschnitt mit der scharfen Klinge das Klebeband. Dann hielt sie inne und genoss die Erwartung und die Vorfreude.
Kurz darauf grub sie sich durch die schützenden Styropor- flocken, suchte nach dem Inhalt. Glas oder Porzellan, dachte sie, eine Figurine. Sie fragte sich, ob er am Ende gar ein Murmeltier aus Porzellan gefunden hatte und lachte bei dem Gedanken daran.
Doch das Lachen erstarb in ihrer Kehle, vermischte sich mit eiskalter Panik, die ihr die Brust zuschnürte. Ihr Mund formte einen Schrei. Olivia ließ die Figur fallen, als ob sie eine lebende Schlange wäre.
Und starrte zitternd auf das freundliche, wunderschöne Gesicht der Blauen Fee auf der Spieluhr.
Dreizehntes Kapitel
D erselbe Wärter führte Noah in denselben Raum. Diesmal hatte er einen Notizblock und sein Aufnahmegerät dabei. Er baute beides auf dem Tisch auf. Sam warf einen Blick darauf und sagte nichts, doch Noah nahm ein kurzes Glitzern in seinen Augen wahr, das befriedigt wirkte. Oder erleichtert.
Noah setzte sich, schaltete das Gerät ein. »Denken Sie zurück, Sam. Denken Sie an das Jahr 1973.«
»>Fever< kam im Mai in die Kinos und war der größte Kassenschlager des Sommers. Ich wurde für einen Oscar nominiert. Jedes Mal, wenn ich das Radio einschaltete, hörte ich >Desperado<. Die Sixties waren eindeutig vorbei«, sagte Sam leicht amüsiert, »und die Discomusik hatte ihr häßliches Haupt noch nicht erhoben. Damals lebte ich inoffiziell mit Lydia zusammen. Wir hatten guten Sex und monumentale Auseinandersetzungen. Pot war out, Koks war in. Irgendwo war immer eine Party angesagt. Und dann lernte ich Julie MacBride kennen.«
Er unterbrach sich für einen Moment. »Alles, was ich vor diesem Augenblick erlebt hatte, war plötzlich zweitrangig.«
»Sie haben noch im selben Jahr geheiratet.«
»Keiner von uns beiden war damals besonders besonnen oder geduldig.« Sein Blick schweifte ab, und Noah fragte sich, welche Bilder für ihn vor den hässlichen , nackten Wänden auftauchten. »Wir wusste n bald, was wir wollten. Wir wollten einander. Eine Zeitlang war uns das genug.«
»Erzählen Sie mehr davon«, bat Noah und wartete, während Sam seine verbotene Zigarette herauszog und anzündete.
»Sie kam gerade mit ihrer Schwester aus Irland zurück, hatte ein paar Wochen Urlaub zwischen zwei Projekten gehabt. Wir lernten uns im Büro des Regisseurs Hank Midier kennen. Sie kam herein - in Jeans und einem dunkelblauen Pullover. Ihr Haar trug sie zurückgebunden. Sie sah aus wie sechzehn. Julie war die schönste Frau, die ich in meinem ganzen Leben gesehen hatte.«
Sein Blick glitt zurück, richtete sich direkt auf Noahs Augen. »Das ist keine Übertreibung. Es ist die Wahrheit. Ich kannte viele Frauen. Ein Blick auf sie genügte mir jedoch, um zu wissen, daß sie die letzte sein würde. Das können Sie wahrscheinlich nicht verstehen.«
»Doch, das kann ich.« Er hatte diesen Rausch selbst schon erlebt, dieses Einvernehmen, als die Tochter eben dieses Mannes die Tür zu ihrem Apartment geöffnet und ihn mit einem leicht verärgerten Stirnrunzeln
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