Rueckkehr nach River's End
anständige Bürger von Los Angeles erledigte Noah einen großen Teil seiner Arbeit auf dem Freeway. Während er sich durch den Verkehr in Richtung Strand schlängelte, versuchte er, mit seinem Handy Charles Brighton Smith anzurufen.
Sam Tanners berühmter Verteidiger war inzwischen achtundsiebzig, praktizierte immer noch, wenn ihm der Sinn danach stand, war zum fünften Mal verheiratet - diesmal mit einer atemberaubend aussehenden, siebenundzwanzigjährigen Rechtsassistentin - und genoss gerade in seiner Inselresidenz auf St. Bart's Sonne und Meer.
Mit viel Geduld gelang es Noah, einen seiner Assistenten zu erreichen, der ihn hochnäsig darüber aufklärte, daß Mr. Smith nicht zu sprechen sei, man jedoch die Nachricht und seine Bitte um ein Interview so bald wie möglich weiterzuleiten gedenke.
Noah interpretierte >so bald wie möglich< als irgendwann zwischen morgen und nie und begann, in die Wege zu leiten, daß er eine Kopie des Gerichtsprotokolls erhielt.
Er spielte mit dem Gedanken, bei seinen Eltern vorbeizuschauen, be schloss dann aber, mit seinem Vater auf professioneller Ebene zu verhandeln, um ihr persönliches Verhältnis von der Arbeit getrennt zu halten. So weit wie möglich.
Außerdem war es an der Zeit, fand er, sich an seinen Computer zu setzen und eine grobe Skizze des Buches zu entwerfen. Die Rohform stand bereits fest. Er würde nicht mit dem
Mord beginnen, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte, sondern mit dem, was diesem Mord vorausgegangen war.
Ein Kapitel über Sam Tanners Aufstieg in Hollywood, eins über Julie MacBrides Karriere. Das Zusammentreffen, das beider Leben verändern sollte, die kurze Liebesaffäre und schließlich die allen Berichten zufolge zunächst glückliche Ehe, aus der ein innig geliebtes Kind hervorging-
Dann die Auflösung dieser Ehe - Liebe war in Besessenheit umgeschlagen und Besessenheit schließlich in Gewalt.
Und ein Kapitel über das Kind, das die Schrecken dieser Gewalt mit ansehen musste . Ein Kapitel darüber, was aus ihr geworden war, wie sie heute damit lebte.
Mord hörte nicht mit dem Tod auf. Das, so dachte Noah, während er auf sein Haus zusteuerte, war etwas, das er von seinem Vater gelernt hatte. Und was er in seinem Buch in erster Linie darstellen wollte.
Es tat ihm weh, daß der Mann, den er bewunderte und am meisten respektierte, das nicht verstehen konnte.
Er parkte und ging mit den Schlüsseln klimpernd auf das Haus zu. Es ärgerte ihn, daß er das Bedürfnis nach der Anerkennung seines Vaters nicht ablegen konnte. Wenn ich ein Cop wäre, dachte er verbittert, wäre alles in Butter. Dann würden wir bei einem Bier zusammensitzen und uns über meine Arbeit unterhalten, über Schuld und Sühne, und er würde bei seinem wöchentlichen Binokelspiel mit seinem Sohn, dem Detektive , angeben. Aber ich schreibe über Mordfälle, anstatt sie aufzuklären, und das ist wohl so etwas wie ein peinliches Geheimnis.
»Komm drüber weg, Brady«, murmelte er und wollte den Schlüssel ins Schloss stecken.
Dies erwies sich jedoch als überflüssig. Man brauchte kein Polizist zu sein, um zu erkennen, daß die Tür geöffnet und nicht wieder ganz zugezogen worden war. Die Muskeln in seinem Magen verkrampften sich, während er vorsichtig die Tür aufschob.
Dann stand er da und betrachtete das Ausmaß der Verwüstung in seinem Haus.
Es sah so aus, als ob eine Bande wildgewordener Dämonen auf jeder verfügbaren Oberfläche getanzt, jeden Fetzen Stoff zerrissen und jedes Stück Glas zertrümmert hätte.
Laut fluchend trat Noah ein und spürte eine Welle der Erleichterung, als er seine Stereoanlage an ihrem angestammten Platz entdeckte.
Also kein Einbruch, überlegte er und hörte das Blut in seinem Kopf laut summen, während er sich seinen Weg durch das Chaos bahnte. Überall waren Papiere verstreut, Glas- und Keramikscherben knirschten unter seinen Füßen.
Sein Schlafzimmer fand er in einem noch übleren Zustand vor. Die Matratze war zerfetzt, die Füllung ergoß sich auf den Boden wie Eingeweide aus einer Bauchverletzung. Schubladen waren herausgezogen und gegen die Wand geschleudert, das Holz zersplittert. Als er entdeckte, daß seine Lieblingsjeans von der Taille bis zum ausgefransten Saum aufgeschnitten war, brüllte er auf.
»Sie ist durchgeknallt! Sie ist völlig wahnsinnig geworden!«
Doch als er in seinem Arbeitszimmer angekommen war, verwandelte sich die Wut in blanke Panik. »Nein, nein, nein«, flüsterte er leise. »O Gott, o
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