Rückkehr nach St. Elwine
ihn sogar offen an.
„ Ich hoffe, Sie sind uns nicht böse, Marc, dass wir nicht vorher angerufen haben, doch dann wirkt immer alles so gestellt, verstehen Sie?“
Klar verstand er, was sie meinte, doch deswegen musste er es noch lange nicht gutheißen. Sie versuchte zweifellos, sich in sein Leben zu drängen, überlegte Marc auf dem Weg zum Ankleidezimmer und blieb ihr eine Antwort schuldig. Dort war bereits Amy, die durch die Verbindungstür vom Badezimmer hinein geschlüpft war. Sie schien ebenfalls nicht allzu begeistert von der Wende, die der Abend so plötzlich genommen hatte. Rasch zog sie sich ein leichtes Sommerkleid über den Kopf. Es unterstrich ihre perfekte, durchtrainierte Figur noch. Sie warf ihm einen hastigen Blick zu.
„ Tu mir einen Gefallen und zieh nicht so ein Gesicht, okay!“, bat sie ihn eindringlich.
Marc entfuhr lediglich ein Schnauben, als er in die Leinenhose und ein sportliches Hemd schlüpfte. Amy tappte barfüßig ins Wohnzimmer.
„ Entschuldigen Sie bitte! Was denn, hat Marc Ihnen nicht mal einen Platz angeboten? Das sieht ihm ähnlich. Ich bin Amy. Möchten Sie etwas trinken?“
„ Danke sehr freundlich. Ein Bier wäre nicht schlecht und du, Liebes?“
George Cumberland reichte der Freundin seines Sohnes die Hand und stellte sich vor. Sie war so groß, dass sie sich genau in die Augen sehen konnten.
„ Einen Gin Tonic, bitte .“
Jenny setzte sich neben ihren Mann auf das weiße Sofa. Hier sah alles geradlinig und steril aus und war sicher von einem teuren Innenarchitekten eingerichtet worden. Die Wände trugen ein kräftiges Orange und alles übrige, einschließlich des weichen Teppichbodens, war weiß. Amy brachte gerade die Drinks, als Marc wieder erschien.
„ Was macht der Sport?“ George gab sich große Mühe freundlich zu sein, als er sich an seinen Sohn wandte.
„ Wir haben den ganzen Nachmittag mit Surfen verbracht. In Tanner House war das Essen einfach zu gut. Das Tannerweekend ...“
„ Ach ja, ich hörte, dass Joshs Vater einen Herzanfall hatte. Böse Geschichte. Deswegen der verspätete Termin, was?“
Marc nickte. „Das hat die Tanners ziemlich in Angst und Schrecken versetzt. Peter musste ein Bypass gelegt werden. Zum Glück leisteten Theo Jefferson und Lizzy Crane ganze Arbeit.“
„ Crane? Eine neue Ärztin hier? Der Name sagt mir etwas.“
„ Elizabeths Vater war Fischer. Sie haben früher unten am alten Hafen gewohnt.“
„ Ach ja, Frederick. Ich erinnere mich. War ’n guter Mann, bevor er seiner Trinkerei nicht mehr Herr wurde. Ist, glaube ich, nie über den frühen Tod seiner Frau hinweg gekommen“, überlegte George.
„ So was soll’s ja geben“, murmelte Marc und sofort fixierte ihn der Blick seines Vaters.
George Cumberland hatte damals eine kleine Reederei in St. Elwine besessen. Als er sich zur Ruhe setzte, verkaufte er die Firma für einen mehr als respektablen Preis an Peter Tanner. Da sein einziger Sohn andere berufliche Pläne hegte, zog George sich aus dem Geschäftsleben zurück und suchte sich in Baltimore eine neue Bleibe.
„ Fredericks Tochter ist also Ärztin geworden?“
Anscheinend wollte sein Vater unbedingt auf nette Unterhaltung machen. Na schön.
„ Ja, sie ist Chirurgin und arbeitet als Oberärztin im St. Elwine Hospital.“
„ Sieh an, sieh an. Wart ihr nicht zusammen auf der Highschool?“
So redselig kannte er seinen alten Herrn gar nicht.
„ Ganz recht.“
„ Ich erinnere mich. Sie hatte Schneid und Charakter, die Kleine.“ George lächelte liebenswürdig.
Tja, ganz anders als dein eigener Sohn, entnahm Marc diesem Lächeln. Unbewusst ballte er die Hände zu Fäusten.
Sein Vater fuhr bereits unbekümmert fort: „Ich hoffe, Peter ist wieder vollständig genesen.“
Marcs Zorn erwachte von einer Sekunde zur anderen. Andauernd erkundigte sich sein alter Herr nach irgendwelchen Leuten, jedoch nie nach dem Menschen, mit dem er mehr als zwanzig Jahre seines Lebens verbracht hatte.
„ Mom geht’s auch gut“, platzte er deshalb unpassend heftig heraus.
Amy und Jennifer zuckten gleichzeitig zusammen.
„ Das freut mich für sie“, antwortete George scheinbar ungerührt.
Amy versuchte die Situation zu retten. Sie stand rasch aus ihrem Sessel auf.
„ Wie wäre es, wenn wir zusammen zu Abend essen? Ich bin leider keine sehr gute Köchin und heute auch nicht auf Besuch eingerichtet. Deshalb schlage ich vor, dass wir alle gemeinsam in ein Restaurant gehen.“
„ Eine nette Idee.“ Jenny
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