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Rückkehr nach St. Elwine

Rückkehr nach St. Elwine

Titel: Rückkehr nach St. Elwine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Orlowski
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ihnen bestand. Gegen drei Uhr morgens hatte er es schließlich aufgegeben, noch auf ein bisschen Schlaf zu hoffen. Er war frustriert aus dem Bett gestiegen, hatte kalt geduscht und anschließend Nachrichten per E-Mail an seine Sekretärin verschickt. Darin hatte er gebeten, sämtliche Termine zu verschieben und war daraufhin in seinen Lamborghini gestiegen.
    Jetzt war Josh unterwegs nach Baltimore. Er wollte nicht, dass Liz allein die Verantwortung tragen musste. Und eigentlich wollte er um jeden Preis verhindern, dass sie überhaupt abtrieb. Sie sollte sich das nicht antun müssen. Irgendwie musste es einen anderen Weg geben. Er war bereit, ihr dabei zu helfen. So, wie er es immer gewesen war.
    „ Lieber Gott, gib, dass ich es noch rechtzeitig schaffe!", flehte er.
     
    29. Kapitel
     
    Liz lag vorbereitet für den Eingriff auf einer Liege. Sie trug nur das dünne OP-Hemdchen, war mit einem Laken zugedeckt und fror jämmerlich. Da hatte sie nun jahrelang gekämpft, um sich und ihren Vater durchzubringen. Hatte stets schwierige Entscheidungen fällen müssen, und jetzt war sie sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie hier das Richtige tat.
    Seit ihr Vater gestorben war, hatten ihre Entscheidungen nur noch ihr allein gegolten. Wieder und wieder kam sie zu demselben Schluss. Sie würde sicher keine gute Mutter abgeben, da sie selbst keine gehabt hatte. Zumindest redete sie sich das immer wieder ein. Es gab in ihrem Kopf nur dunkle, undeutliche Erinnerungen an die sanfte Stimme einer Frau, an ein glockenhelles Lachen und an Arme, die sie zärtlich an sich zogen. Die Worte: „Mein kleiner Liebling, Curly Elizabeth", dröhnten ihr, selbst nach so langer Zeit noch in den Ohren.
    Liz zitterte, jetzt schob man sie in den OP-Saal. Sie kletterte auf den Stuhl und die Schwester brachte sie per Knopfdruck in die richtige Position.
    Nach gründlichen Überlegungen hatte Elizabeth sich für eine Lokalanästhesie entschieden. Einer so genannten Leitungsanästhesie, bei der durch Umspritzen mit einem Betäubungsmittel, die Schmerz leitende Nervenbahn blockiert wurde. Der Strang der Nervenbahn lag allerdings zwischen ihren Beinen, und jetzt stieg doch eine heiße, mehr als mächtige Angst in ihr hoch. Eine Angst, die sie zuvor kaum gekannt hatte, da sie noch niemals als Patient irgendwelchen Ärzten ausgeliefert gewesen war. Ärzten, die sie nicht einmal kannte. Zum ersten Mal begriff sie die wahre Bedeutung dessen, was ein Patient empfindet, wenn der Arzt die Worte aussprach: „Es könnte etwas unangenehm werden."
    Was für eine beispiellose Untertreibung. Sie selbst hatte eben diese Worte wohl schon mehr als tausendmal benutzt, ohne sich jedoch über deren Wirkung überhaupt nur ansatzweise bewusst zu sein. So musste auch Josh sich gefühlt haben oder Don Ingram, als sie in einer ähnlich unangenehmen Position, entblößt vor ihr gelegen hatten! Sie würde in Zukunft mehr auf die Würde und das Schamgefühl ihrer eigenen Patienten eingehen. Da war sich Elizabeth plötzlich sehr sicher. Flüchtig dachte sie an den Ratschlag Dr. Jeffersons. Endlich hatte sie begriffen, was er ihr damit hatte sagen wollen.
    Ihre Gedanken wanderten jetzt in eine andere Richtung. Hin zu den unzähligen Kinderlachen, die sie in ihrem Leben bereits gehört hatte. An die Gesichter von Müttern, wenn sie selbst in der Notaufnahme ihnen ihre Kinder in den Arm gelegt hatte. Meistens waren die Entbindungen ganz anders geplant gewesen. Im Verlauf der Schwangerschaft war es zu Komplikationen gekommen oder die Wehen hatten einfach zu früh eingesetzt. Jenes glückselige Lächeln der Mütter hatte in Elizabeth stets etwas berührt. Sie hatte sich der feierlichen, beinahe schon an Heiligkeit grenzenden Stimmung nie entziehen können.
    Und nun wollte sie ihr Kind töten? Diese Erkenntnis durchfuhr sie wie ein Blitzschlag. Augenblicklich spürte sie, wie ihr Pulsschlag sich zu einem Trommelwirbel steigerte. Gleich würde man in sie eindringen, die Muskeln ihrer Gebärmutter dehnen und anschließend die Spuren ihrer Schwangerschaft aussaugen. Sie war vertraut mit der Vorgehensweise.
    Liz glaubte an keinen Gott. Auf dessen Hilfe hatte sie schon zu oft vergebens gehofft. Aber sie glaubte an das Leben und an die Liebe. Es musste eine wahre, große Liebe im Leben eines jeden Menschen geben. Vielleicht war es ja die Liebe zu einem Kind, der man dann bis an das Ende seiner Tage diente. Wer konnte schon mit Gewissheit das Gegenteil behaupten? Es gab schließlich

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