Rückkehr nach St. Elwine
Adressen, Telefonnummern und alles was dir sonst noch dazu einfällt auf! Du hast eine halbe Stunde Zeit. Ich warte auf dich in meinem Arbeitszimmer!", forderte er.
Die Liste der Namen war ziemlich lang. Ein weiterer Schock für Josh. Aber er versuchte, die brennende Scham zu ignorieren. Er war sich dessen nur allzu bewusst, dass er hier nahezu vor Gloria auf den Knien lag, um das Leben des Jungen, den er über alles liebte, zu retten. Doch er schob den letzten Rest seines Stolzes beiseite. Jetzt galten andere Prioritäten.
„ Pack sofort deine Sachen und verschwinde von hier! Ich übergebe die Angelegenheit meinem Anwalt. Er wird sich mit dir in Verbindung setzen."
„ Wie willst du Nicky das erklären?“, wollte sie wissen.
„ Das muss dich nicht mehr interessieren“, warf Josh ein.
Ohne ein weiteres Wort verließ Gloria das Zimmer. Erst als die Tür ins Schloss gefallen war, ließ Josh seinen Kopf auf die Schreibtischplatte sinken. Er überflog ein weiteres Mal die Liste, die er am liebsten in tausend Fetzen zerrissen hätte. Theos Worte hallten plötzlich in seinen Ohren nach. Eine besonders aggressive Form von Leukämie. Haltlos begann er zu weinen.
Angelina stand bereits minutenlang vor der Tür und vernahm sein heftiges Schluchzen. Sie war jedoch unfähig sich zu bewegen. Als sie schließlich leise das Zimmer betrat, hoben sich seine Schultern noch immer bebend.
„ Ich habe alles mit angehört. Meine Tür stand offen und ... Es tut mir so leid, Josh."
Sie strich über sein schwarzes Haar, das dem ihren so sehr glich.
„ Bitte, ich will dein Mitleid nicht. Ich möchte einfach noch eine Weile allein sein", brachte er leise hervor und vermied es dabei, seine Schwester anzusehen.
Sie ignorierte seine Bitte und strich weiter behutsam über sein Haar.
„ Aber ich leide mit dir“, sagte sie eben so leise. „Wir alle tun das."
„ Ich war ein Idiot, so ein gottverdammter Idiot", rief er aus.
„ Hör auf damit!"
Sie nahm seinen Kopf zwischen ihre Hände. Dann wischte sie die Tränenspuren auf seinem Gesicht fort. Er hielt die Lider gesenkt und die dichten Wimpern überschatteten seine Wangen.
„ Sieh mich an, Josh! Du bist mein kleiner Bruder. Nichts auf der Welt wird daran etwas ändern. Und ich liebe dich von ganzem Herzen. Wir alle lieben dich und wir werden das gemeinsam durchstehen. Du musst es nicht allein tragen, okay?"
Sie zog seinen Kopf an ihre Brust, küsste sanft seine Stirn und hoffte dabei mit tiefstem Herzen, ihm ein wenig Trost zu spenden.
Dr. Jefferson empfahl, Nicolas nach Baltimore oder Washington zum Spezialisten zu bringen. Dort sollte das optimale Maß der Chemotherapie berechnet werden. Verabreichen konnte man sie dann in St. Elwine. Joshua nahm jeden Ratschlag dankend entgegen. Seine gesamte Welt war aus den Fugen geraten und er wusste überhaupt nicht mehr, wie er all das bewältigen sollte. Bisher hatte er ein sehr behütetes Leben geführt. Er war von Geburt an mit äußerst hilfreichen Attributen ausgestattet worden. Reichtum, Intelligenz, gutes Aussehen, Charme. Ihm war nahezu alles in den Schoß geflogen, einfach so und jetzt war er mit der gegenwärtigen Situation hoffnungslos überfordert.
„ Du bist mit einem goldenen Löffel im Mund auf die Welt gekommen", hatte Liz ihn einst verhöhnt. Wie recht sie mit dieser Aussage gehabt hatte, wurde ihm erst jetzt voll bewusst. Doch auch all diese Privilegien, hatten ihn nicht vor der Katastrophe bewahren können. Nichts und niemand hätte ihn darauf vorbereiten können. Die Angelegenheit mit Gloria war seine eigene Dummheit gewesen. Sie war fort. Er war selbst überrascht, dass es nicht wehtat. Es hinterließ lediglich einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Ähnlich, wie wenn man sich wegen eines verdorbenen Lebensmittels hatte übergeben müssen. Man war den Dreck los. Selbst wenn dieses Loswerden auf eine widerliche Art und Weise vonstattengegangen war, brachte es doch echte Erleichterung. Gloria war er los, gottlob. Er starb auch nicht an gebrochenem Herzen, denn sein Herz hatte ihr nie gehört. Zum Glück, wie er jetzt feststellte. Dabei hatte er sich in den vergangenen Monaten hin und wieder selbstkritisch gefragt, ob er vielleicht nicht fähig war, eine Frau wirklich zu lieben. Was war er nur für ein Narr gewesen.
Aber Nicolas zu sehen, vor Augen zu haben, wie sehr der Kleine litt und ihm nicht wirklich helfen zu können, war mehr als Josh ertragen konnte. Am liebsten wäre er fortgelaufen, weit, weit
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