Rückkehr nach St. Elwine
wiederholte er. „Ich möchte nicht, dass du meinetwegen ...“
Ihr amüsiertes Lachen unterbrach ihn. „Du bist goldig, Herzchen. Hör zu, ich sag dir was! Du bist erwachsen und frei und ich bin es auch. Wir haben gewisse Bedürfnisse, die wir einander erfüllen können. Ich erwarte nichts von dir, gar nichts, verstehst du. Du musst also keine Angst haben und irgendwas von angeblicher Liebe faseln.“
Die Erleichterung, die sich daraufhin auf seinem Gesicht zeigte, ließ sie erneut lachen.
„ Süßer“, sagte sie wieder. „Ich bin keineswegs so uneigennützig, wie du vielleicht glaubst. He, du bist wahrscheinlich der hübscheste Mann, den ich je in meinem Bett hatte. Aber das weißt du wohl. Darüber hinaus mag ich dich sehr gern und es bereitet mir größtes Vergnügen, mit dir zu schlafen.“
Sie ahnte nicht, wie gut ihm diese Aussage tat. Dafür würde er ihr immer dankbar sein.
Eines Morgens, als Josh vom Krankenhaus nach Hause zurückkehrte, um zu duschen und sich zu rasieren, bevor er ins Büro fuhr, traf er auf Gloria. Sie stand am Tor von Tanner House, völlig durchnässt und zugekifft. Er war übermüdet und hatte nicht mehr den Nerv für eine hässliche Szene mit ihr. Seufzend nahm er sie mit ins Haus und schob sie in eines der Gästezimmer.
„ Ich schaff das nicht allein“, sagte sie, während ihre Zähne klappernd aufeinander schlugen „Ich komme von dem Zeug nicht weg. Ich will ja, ehrlich. Aber ich krieg das einfach nicht auf die Reihe.“
Er sah, wie ihre Hände zitterten.
„ Kannst du mir irgendwie helfen, Josh? Bitte!"
Am liebsten hätte er sie sofort wieder raus geschmissen, aber aus ihrer Bitte hörte er echte Verzweiflung heraus. Er konnte es nicht, verdammt noch mal. Was war er nur für ein Mann? Verlor er jetzt auch noch die Achtung vor sich selbst? Vor Müdigkeit schmerzte jeder einzelne Muskel in seinem Körper.
Sie redete unaufhörlich über sich. Nur über sich, wie aufgezogen. Sie fragte nicht einmal, wie es ihrem Kind überhaupt ging. Er fand sie einfach erbärmlich und fragte sich zum hundertsten Mal, wie um alles in der Welt, er diese Frau hatte überhaupt heiraten können.
Josh schottete sich ab, indem er ihr einfach nicht mehr zuhörte. Stattdessen klemmte er sich ans Telefon und rief Theo Jefferson an. Er bat ihn um die Adresse einer geeigneten Suchtklinik. Theo versprach, alles Notwendige für ihn zu arrangieren. Keine fünf Minuten später kam der Rückruf und es dauerte drei weitere Stunden, bis Josh Gloria dem geschulten Personal der Somerville-Klinik in Baltimore, nach einer mehr als nervenaufreibenden Fahrt, übergab. Als er am späten Nachmittag wieder Zuhause eintraf, war er restlos erledigt. Obendrein fiel ihm ein, dass er ganz vergessen hatte, im Büro Bescheid zu sagen. Nun, das ließ sich im Moment auch nicht mehr ändern. Es würde warten müssen bis morgen.
„ Bezahlst du jetzt auch noch die Therapie für diese falsche Schlange?"
Angelina kam auf ihn zu, als er die Halle von Tanner House betrat. Abwehrend und resigniert zugleich hob Josh die Hände. Sie schluckte weitere zynische Bemerkungen hinunter, als sie die abgrundtiefe Müdigkeit bemerkte, die sich in sein Gesicht eingegraben hatte.
„ Möchtest du vielleicht einen Kaffee?", fragte sie stattdessen. "Setz dich solange ins Wohnzimmer! Ich hatte gerade eine frische Kanne aufgesetzt."
Er tat es widerspruchslos.
Als sie mit einer Tasse in das Wohnzimmer zurückkam, lag Josh auf dem Sofa und schlief wie ein Stein. Angelina seufzte. Sie breitete einen Quilt über ihn aus und fuhr anschließend ins Krankenhaus, um ihre Mutter abzulösen. Eigentlich hatte sie andere Pläne für den heutigen Abend gehabt, doch das konnte warten. Für Josh hätte sie fast alles in ihrem Leben aufgegeben.
Zwei Wochen später, an einem Sonntagvormittag, las Josh Nicolas eine Geschichte vor, als die diensthabende Schwester das Zimmer betrat.
„ Mr. Tanner, das Labor hat eben durchgerufen. Kommen Sie einen Moment mit nach draußen?“
Joshua stand sofort auf und folgte ihr.
„ Der junge Mann, der gestern hier eintraf, ist der Vater des Jungen. Er ist bestens als Rückenmarkspender geeignet."
Sie bemerkte das hoffnungsvolle Leuchten in seinen Augen. Alle Schwestern der Station hatten ihn längst wegen seiner aufopferungsvollen Liebe zu diesem Kind und seiner gleich bleibenden Freundlichkeit dem Personal gegenüber, ins Herz geschlossen. Sie selbst bildete da keine Ausnahme.
„ Ich freue mich so für Sie."
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