Rückkehr von den Sternen
Zeit, die ich dabei verbracht habe, ist mir noch so gegenwärtig, als ob es gestern gewesen wäre.«
»So nutzlos, wie Sie meinen, ist es auch nicht«, murmelte er. Er hörte also doch zu. »Von den Igalla-Arbeiten haben Sie wohl nicht gehört, wie?«
»Nein. Was ist denn das?«
»Die Theorie des nichtkontinuierlichen Antifeldes.«
»Ãber das Antifeld weià ich nichts. Was ist es?«
»Die Retronihilation. Daraus ging dann die Parastatik hervor.«
»Ich habe diese Termini niemals gehört.«
»Na, ja, das entstand erst vor sechzig Jahren. Es war übrigens erst eine Einführung in die Gravitologie.«
»Ich merke schon, daà ich mich da werde anstrengen müssen«, sagte ich. »Die Gravitologie ist wohl die Theorie der Gravitation, wie?«
»Mehr noch. Anders als mit der Mathematik läÃt sich das nicht sagen. Kennen Sie Appiano und Froom?«
»Ja.«
»Na, dann sollten Sie eigentlich gar keine Schwierigkeiten damit haben. Es sind Metagen-Entwicklungen in einer N-mäÃigen, konfigurativen und ausartenden Menge.«
»Was sagen Sie da? Skriabin hat doch bewiesen, daà es auÃer den variablen keine anderen Metagene gibt?«
»Ja. Eine sehr schöne Beweisführung. Aber dies ist ja auÃerkontinuierlich, wissen Sie.«
»Unmöglich! Dann müÃte es ⦠es müÃte ja eine ganze Welt geöffnet haben!«
»Ja«, sagte er trocken.
»Ich erinnere mich an eine Arbeit von Mianikovsky â¦Â«, fing ich an.
»Ach, das liegt schon weit zurück. Zumindest ⦠ist es die gleiche Richtung.«
»Wieviel Zeit werde ich brauchen, um alles, was inzwischen getan worden ist, aufzuholen?« fragte ich.
Er schwieg eine Weile.
»Wozu brauchen Sie es?«
Ich wuÃte nicht, was ich sagen sollte.
»Fliegen werden Sie nicht mehr â oder?«
»Nein«, sagte ich. »Bin zu alt dazu. Ich könnte derartige Beschleunigungen nicht mehr ertragen ⦠na, und überhaupt ⦠ich würde nicht mehr fliegen wollen.«
Nach diesen Worten verfielen wir endgültig ins Schweigen. Die unerwartete Aufregung, mit der ich über die Mathematik gesprochen hatte, verflüchtigte sich plötzlich. Und nun saà ich neben ihm und spürte das Gewicht des eigenen Körpers, seine unnütze GröÃe. AuÃer der Mathematik hatten wir uns nichts zu sagen und wuÃten es alle beide sehr wohl. Plötzlich schien mir die Erregung, mit der ich von der heilbringenden Rolle der Mathematik während der Reise berichtet hatte, wie ein Betrug. Ich beging Selbstbetrug mit der Bescheidenheit, dem Fleià eines heroischen Piloten, der sich zwischen den gähnenden kosmischen Nebeln mit theoretischen Studien über die Unendlichkeit befaÃte. Total verlogen. Denn â am Ende â, was war es schon? Konnte sich etwa ein Schiffbrüchiger, der monatelang auf den Meeren umherirrte und â um nicht verrückt zu werden â Tausende von Malen die Anzahl der Holzfasern berechnete, aus denen sein Floà bestand, dessen rühmen, wenn er wieder auf festem Land stand? Dessen, was ihm half, sich zu retten? Na â und? Was ging das irgend jemanden an? Was konnte es einen schon interessieren, mit welchen Dingen ich mein unglückseliges Hirn innerhalb dieser zehn Jahre vollstopfte, und warum sollte das wichtiger sein als das, was meine Gedärme füllte? âºMan muà diesem asketischen Heldenspiel ein Ende machenâ¹, dachte ich. âºDas werde ich mir leisten können, wenn ich so aussehe wie er. Jetzt muà ich an die Zukunft denken.⹠»Helfen Sie mir aufzustehen«, flüsterte er.
Ich brachte ihn zum Glider, der auf der StraÃe stand. Wir gingen äuÃerst langsam. Da wo es zwischen den Hecken hell war, folgten uns die Blicke der Menschen. Ehe er in den Glider stieg, drehte er sich um, wollte sich von mir verabschieden. Weder er noch ich fanden dabei ein einziges Wort. Er machte irgendeine unverständliche Handbewegung, aus seiner Hand wuchs wie ein Degen einer seiner Stöcke hervor, er bewegte den Kopf, stieg ein, und das dunkle Fahrzeug setzte sich lautlos in Bewegung. Er war fortgeschwommen, und ich stand mit herabhängenden Armen da, bis der schwarze Glider in einem Rudel anderer verschwand. Dann steckte ich die Hände in die Hosentaschen und ging vorwärts, ohne eine Antwort auf die Frage finden zu können, wer von uns wohl die
Weitere Kostenlose Bücher