Rückkehr von den Sternen
dieses Eingriffs in der Luft hängengeblieben. Roemer hatte recht. Das Wesen dieser Entdeckung konnte nicht mehr anders als durch Mathematik â eine höllische Mathematik, will ich gleich hinzufügen â zum Ausdruck gebracht werden. Eine ganz allgemeine »für alle nur möglichen Weltallarten« gültige Lösung hatte Emil Mitke, der Sohn eines Postbeamten, ein verkrüppeltes Genie, gefunden, der mit der Relativitätstheorie das gleiche tat wie Einstein mit der Theorie von Newton. Es war eine lange, ungewöhnliche und wie jede wahre ganz unwahrscheinliche Geschichte, eine Vermischung geringfügiger und gewichtiger Dinge, der menschlichen Lächerlichkeit mit der menschlichen GröÃe, die endlich nach vierzig Jahren in der Entstehung der »kleinen schwarzen Kästchen« kulminierte.
Diese kleinen schwarzen Kästchen muÃte ausnahmslos jedes Fahrzeug, jedes Wasser- oder Luftschiff besitzen: sie garantierten â wie Mitke scherzhaft an seinem Lebensabend bemerkte â das diesseitige Heil; bei Gefahr â dem Absturz eines Flugzeugs, dem Zusammenstoà von Autos oder Zügen, kurz, bei jedem Unfall â lösten sie eine Ladung des »Gravitation-Antifeldes« aus, das bei seiner Entstehung und Verbindung mit der durch den Zusammenstoà â allgemein ausgedrückt: durch eine plötzliche Dezeleration, Verlust an Geschwindigkeit â entstandenen Trägheit im Endergebnis eine Null ergab. Diese mathematische Null war durchaus eine Realität: sie absorbierte den ganzen Schock, die gesamte Energie des Unfalls und rettete auf diese Weise nicht nur die Passagiere des Fahrzeugs, sondern auch diejenigen, auf die anderenfalls seine blinde Masse gestürzt wäre.
Die »schwarzen Kästchen« gab es überall: sogar in den Hebekränen, in Fahrstühlen, in den Gürteln der Fallschirmspringer, in den Ozeandampfern und in den Mopeds. Ihre einfache Konstruktion war ebenso staunenswert wie die Kompliziertheit der Theorie, aus der sie entstanden war.
Der Morgen rötete schon die Wände des Zimmers, als ich todmüde auf mein Bett fiel mit dem BewuÃtsein, die zweite und nach der Betrisierung gröÃte Revolution des Zeitalters meiner irdischen Abwesenheit kennengelernt zu haben.
Geweckt wurde ich von dem Roboter, der mit dem Frühstück ins Zimmer kam. Es war schon fast ein Uhr. Ich setzte mich im Bett auf und versicherte mich unter der Hand, das in der letzten Nacht zur Seite gelegte Werk »Problematik der Sternflüge« von Starck noch zu besitzen.
»Sie sollten zu Abend essen, Herr Bregg«, sagte der Roboter vorwurfsvoll, »sonst verlieren Sie Ihre Kräfte. Auch das Lesen bis zum Morgengrauen ist nicht empfehlenswert. Die Ãrzte sind sehr dagegen â wissen Sie das?«
»Schon, aber woher weiÃt du denn das?« fragte ich.
»Es ist meine Pflicht, Herr Bregg.«
Er reichte mir das Tablett.
»Ich will versuchen, mich zu bessern«, sagte ich.
»Ich hoffe, daà Sie eine Freundlichkeit, die durchaus keine Aufdringlichkeit bedeuten soll, nicht miÃverstanden haben«, erwiderte er.
»Ach, wo«, sagte ich. Ich rührte den Kaffee um, spürte, wie die Zuckerteilchen sich unter dem Löffel auflösten, und war auf eine ebenso ruhige wie groÃzügige Art erstaunt. Nicht nur, daà ich wirklich auf Erden war, daà ich zurückgekommen bin, nicht allein durch die Erinnerung an die nächtliche Lektüre, die noch in meinem Kopf rumorte und gärte, sondern durch die einfache Tatsache, daà ich in einem Bett saÃ, daà mein Herz schlug â daà ich lebte. Zu Ehren dieser Entdeckung wollte ich gerne etwas tun, doch wie üblich kam mir kein vernünftiger Gedanke in den Kopf.
»Hör mal«, wandte ich mich an den Roboter, »ich habe eine Bitte an dich.«
»Stets zu Diensten.«
»Hast du etwas Zeit? Dann spiel mir doch mal wieder dieselbe kleine Melodie wie gestern â ja?«
»Mit Vergnügen«, antwortete er, und bei den fröhlichen Spieluhrklängen trank ich in drei Schlucken meinen Kaffee. Sobald der Roboter fort war, zog ich mich um und lief zum Schwimmbecken.
Ich weià wirklich nicht, warum ich immer so in Eile war. Etwas trieb mich, wie ein Vorgefühl, daà diese meine Ruhe recht bald â als unverdient und unwahrscheinlich â ein Ende haben würde. Wie immer führte diese fortdauernde Eile dazu, daà ich,
Weitere Kostenlose Bücher