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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dieses Eingriffs in der Luft hängengeblieben. Roemer hatte recht. Das Wesen dieser Entdeckung konnte nicht mehr anders als durch Mathematik – eine höllische Mathematik, will ich gleich hinzufügen – zum Ausdruck gebracht werden. Eine ganz allgemeine »für alle nur möglichen Weltallarten« gültige Lösung hatte Emil Mitke, der Sohn eines Postbeamten, ein verkrüppeltes Genie, gefunden, der mit der Relativitätstheorie das gleiche tat wie Einstein mit der Theorie von Newton. Es war eine lange, ungewöhnliche und wie jede wahre ganz unwahrscheinliche Geschichte, eine Vermischung geringfügiger und gewichtiger Dinge, der menschlichen Lächerlichkeit mit der menschlichen Größe, die endlich nach vierzig Jahren in der Entstehung der »kleinen schwarzen Kästchen« kulminierte.
    Diese kleinen schwarzen Kästchen mußte ausnahmslos jedes Fahrzeug, jedes Wasser- oder Luftschiff besitzen: sie garantierten – wie Mitke scherzhaft an seinem Lebensabend bemerkte – das diesseitige Heil; bei Gefahr – dem Absturz eines Flugzeugs, dem Zusammenstoß von Autos oder Zügen, kurz, bei jedem Unfall – lösten sie eine Ladung des »Gravitation-Antifeldes« aus, das bei seiner Entstehung und Verbindung mit der durch den Zusammenstoß – allgemein ausgedrückt: durch eine plötzliche Dezeleration, Verlust an Geschwindigkeit – entstandenen Trägheit im Endergebnis eine Null ergab. Diese mathematische Null war durchaus eine Realität: sie absorbierte den ganzen Schock, die gesamte Energie des Unfalls und rettete auf diese Weise nicht nur die Passagiere des Fahrzeugs, sondern auch diejenigen, auf die anderenfalls seine blinde Masse gestürzt wäre.
    Die »schwarzen Kästchen« gab es überall: sogar in den Hebekränen, in Fahrstühlen, in den Gürteln der Fallschirmspringer, in den Ozeandampfern und in den Mopeds. Ihre einfache Konstruktion war ebenso staunenswert wie die Kompliziertheit der Theorie, aus der sie entstanden war.
    Der Morgen rötete schon die Wände des Zimmers, als ich todmüde auf mein Bett fiel mit dem Bewußtsein, die zweite und nach der Betrisierung größte Revolution des Zeitalters meiner irdischen Abwesenheit kennengelernt zu haben.
    Geweckt wurde ich von dem Roboter, der mit dem Frühstück ins Zimmer kam. Es war schon fast ein Uhr. Ich setzte mich im Bett auf und versicherte mich unter der Hand, das in der letzten Nacht zur Seite gelegte Werk »Problematik der Sternflüge« von Starck noch zu besitzen.
    Â»Sie sollten zu Abend essen, Herr Bregg«, sagte der Roboter vorwurfsvoll, »sonst verlieren Sie Ihre Kräfte. Auch das Lesen bis zum Morgengrauen ist nicht empfehlenswert. Die Ärzte sind sehr dagegen – wissen Sie das?«
    Â»Schon, aber woher weißt du denn das?« fragte ich.
    Â»Es ist meine Pflicht, Herr Bregg.«
    Er reichte mir das Tablett.
    Â»Ich will versuchen, mich zu bessern«, sagte ich.
    Â»Ich hoffe, daß Sie eine Freundlichkeit, die durchaus keine Aufdringlichkeit bedeuten soll, nicht mißverstanden haben«, erwiderte er.
    Â»Ach, wo«, sagte ich. Ich rührte den Kaffee um, spürte, wie die Zuckerteilchen sich unter dem Löffel auflösten, und war auf eine ebenso ruhige wie großzügige Art erstaunt. Nicht nur, daß ich wirklich auf Erden war, daß ich zurückgekommen bin, nicht allein durch die Erinnerung an die nächtliche Lektüre, die noch in meinem Kopf rumorte und gärte, sondern durch die einfache Tatsache, daß ich in einem Bett saß, daß mein Herz schlug – daß ich lebte. Zu Ehren dieser Entdeckung wollte ich gerne etwas tun, doch wie üblich kam mir kein vernünftiger Gedanke in den Kopf.
    Â»Hör mal«, wandte ich mich an den Roboter, »ich habe eine Bitte an dich.«
    Â»Stets zu Diensten.«
    Â»Hast du etwas Zeit? Dann spiel mir doch mal wieder dieselbe kleine Melodie wie gestern – ja?«
    Â»Mit Vergnügen«, antwortete er, und bei den fröhlichen Spieluhrklängen trank ich in drei Schlucken meinen Kaffee. Sobald der Roboter fort war, zog ich mich um und lief zum Schwimmbecken.
    Ich weiß wirklich nicht, warum ich immer so in Eile war. Etwas trieb mich, wie ein Vorgefühl, daß diese meine Ruhe recht bald – als unverdient und unwahrscheinlich – ein Ende haben würde. Wie immer führte diese fortdauernde Eile dazu, daß ich,

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