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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Nachmittag, von einem verstreuten grünlichen Licht erfüllt. Im Speiseraum lagen drei Gedecke auf dem Tisch.
    Als ich hereinkam, ging die gegenüberliegende Tür auf, und die anderen erschienen. Sie waren für diese Zeiten ziemlich groß. Wir trafen uns auf halbem Wege, wie Diplomaten. Ich nannte meinen Namen, wir reichten uns die Hand und nahmen Platz. Ich spürte eine Art betäubter Ruhe, wie ein Boxer, der sich nach einem Niederschlag soeben von den Brettern erhoben hat. Aus dieser Zerschlagenheit heraus betrachtete ich das junge Paar wie aus einer Loge.
    Das Mädchen war wohl kaum zwanzig Jahre alt. Erst viel später kam ich dahinter, daß sie sich nicht beschreiben ließ und sicher ihrem eigenen Foto nicht ähnlich gewesen wäre: Sogar am nächsten Tag hatte ich keine Ahnung, was für eine Nase – eine gerade oder etwas stupsartige – sie hatte. Die Art, wie sie die Hand nach einem Teller ausstreckte, erfreute mich wie etwas Wertvolles, wie eine Überraschung, die es nicht alle Tage gibt; sie lächelte selten und ruhig, wie mit etwas Mißtrauen gegen sich selbst. Als hielte sie sich für zu wenig beherrscht, zu fröhlich – von Natur aus – oder auch für trotzig und versuchte vernünftigerweise, dem abzuhelfen. Immer wieder entschlüpfte sie dabei der eigenen Strenge, wußte es und amüsierte sich darüber.
    Selbstverständlich zog sie meine Blicke auf sich, und ich mußte dagegen ankämpfen. Trotzdem starrte ich sie immerfort an: ihre Haare, die den Wind herbeizurufen schienen. Ich senkte den Kopf über meinen Teller, griff mit kurzen Blicken nach den Schüsseln, wobei ich zweimal fast die Blumenvase umgeworfen hätte – kurz, ich benahm mich unmöglich. Doch die beiden schienen mich kaum zu sehen. Sie hatten ihre eigenen, ineinandergreifenden Blicke, unsichtbare Fädchen einer Verständigung, die sie verband. Ich weiß kaum, ob wir während der ganzen Zeit auch nur zwanzig Worte darüber wechselten, daß das Wetter schön war und man sich hier gut erholen konnte.
    Dieser Marger war kaum einen Kopf kleiner als ich, aber schlank wie ein Jüngling, wenn auch schon über dreißig. Er war eher dunkel gekleidet, ein Blonder mit langem Schädel und einer Hohen Stirn. Am Anfang schien er mir ausnehmend hübsch, aber nur, wenn sein Gesicht unbeweglich blieb. Sobald er sprach – meistens mit einem Lächeln für seine Frau, wobei dieses Gespräch aus Andeutungen bestand, die für einen Fremden völlig unverständlich waren –, wurde er fast häßlich. Eigentlich auch das nicht, nur schienen sich dann seine Proportionen etwas zu verschieben, der Mund zog sich nach links und verlor an Ausdruck, sogar sein Lachen war ausdruckslos, obwohl er schöne weiße Zähne hatte. Und wenn er auflebte, wurden seine Augen zu blau und sein Kiefer erschien zu stark modelliert, und im ganzen schien er dann wie ein unpersönliches Modell männlicher Schönheit, wie aus einem Modejournal.
    Kurz – von Anfang an war er mir äußerst unsympathisch.
    Das Mädchen – denn so mußte ich seine Frau in Gedanken nennen, auch wenn ich es nicht wollte – hatte weder schöne Augen noch Lippen, auch kein besonders schönes Haar – nichts war an ihr ungewöhnlich. ›Mit einem solchen Mädchens dachte ich, ›wäre ich imstande, mit einem Zelt auf dem Rücken, das ganze Felsengebirge hin und zurück zu durchwandern.« Warum ausgerechnet ein Gebirge? Ihre Gestalt rief bei mir Assoziationen an Übernachtungen im Zwergkieferngebiet mit mühevollen Bergbesteigungen hervor, an Seeufern, wo es nichts gab außer Sand und Wellen.
    Nur darum, weil sie keine geschminkten Lippen hatte? Ich spürte ihr Lächeln von der anderen Tischseite, sogar dann, wenn sie überhaupt nicht lächelte. In einem Anfall von Übermut beschloß ich, einmal auf ihren Hals zu schauen – es war, als ob ich einen Diebstahl beging. Das war schon am Ende des Mittagessens. Marger wandte sich plötzlich an mich – vielleicht wurde ich sogar rot. Er sprach eine ganze Weile, ehe ich ihn verstand. Daß das Haus nur einen Glider besäße, den er – leider – nun nehmen müsse, da er in die Stadt führe. Wenn ich also auch hinmöchte und nicht bis zum Abend warten wollte, könnte ich vielleicht mit ihm fahren? Er könnte mir aber auch,

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