Rücksichtslos
Triumph und absoluter Macht erinnerte. Ihre Nackenhaare stellten sich auf, während er noch immer in ihrer Scheide umhertastete. Sie wandte den Blick starr an die grauweiße Decke und hoffte, dass dieser Moment bald vorübergehen würde. Der Vermummte benahm sich, als wäre sie ein Nichts. Endlich zog er seinen Finger aus ihr heraus und entfernte sich. Im gleichen Moment wurde Kira von einer Woge der Übelkeit überrollt. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie stieg so schnell sie konnte von dem Stuhl herunter. An der einen Wand hing ein kleines Waschbecken. Sie schaffte es gerade noch dorthin, als sich ihr Magen auch schon krampfartig entleerte. Immer und immer wieder kontrahierte sich ihre Magenmuskulatur. Bis nur noch bittere Galle herauskam. Und selbst dann noch krampfte ihr Bauch sich schmerzhaft zusammen. Schließlich würgte sie nur noch, ohne dass etwas aus ihr herauskam. Kira fühlte sich so elend, dass sie meinte, sie müsste jetzt sterben. An ihr Ohr drang ein leises spöttisches Lachen. Doch als sie ihre Augen zu dem Verursacher ihres Übels wandte, sah dieser sie ohne jegliches Gefühl an. Dieser kalte Blick ging ihr durch Mark und Bein, und ihr wurde wieder bewusst, dass sie nur im T-Shirt bekleidet vor ihm stand. Augenblicklich zog sie dieses wieder nach unten, um sich zu bedecken.
„ Ziehen Sie die Unterhose an und legen sich hierher“, zischte er und deutete auf die Untersuchungsliege, die hinter ihm stand. „Ich will schließlich nicht, dass Sie vor Angst eine Frühgeburt erleiden.“
Kira zog sich hastig den Schlüpfer an, wobei sie beim ersten Versuch daneben trat. Danach legte sie sich schnell atmend auf die Liege. Der Vermummte schob ein Ultraschallgerät neben sie und nahm einen der Ultraschallköpfe. Er gelte ihren Bauch ein und drehte den Bildschirm so, dass sie mitschauen konnte. Das hätte sie ihm nicht zugetraut. Ob er vielleicht doch …? Sie wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu bringen, und konzentrierte sich auf den Monitor. Beim Anblick ihres Kindes beruhigte sich ihr Herzschlag sofort. Es bewegte sich, und Kira war erstaunt, wie viel sie erkennen konnte. Sie liebte ihr Kind bereits abgöttisch, noch bevor sie es in den Armen halten konnte. Und sie wusste, dass sie alles für diesen Moment tun würde. Egal, wie schwer es werden würde.
„ In welcher Schwangerschaftswoche sind Sie?“, unterbrach er ihren Gedankenfluss und holte sie in die bittere Realität zurück.
„ In der einundzwanzigsten.“
„ So“, erwiderte er scharf. „Dann haben Sie Frau Kowatz angelogen, als Sie ihr sagten, Sie seien in der vierzehnten?“
„ Ja. Doch ohne böse Absicht. Ich musste die Schwangerschaft so lange vor meinem Freund geheim halten, dass ich …“
„ Das interessiert mich nicht“, unterbrach er sie tonlos. „Das Einzige, was mich interessiert, ist Ihr Kind. Ziehen Sie sich an.“
Kira gehorchte sofort und war froh, auch ihre nackten Beine wieder vor seinen durchdringenden Blicken verdecken zu können.
„ Setzen sie sich hierher. Ich muss Ihnen noch einmal Blut abnehmen.“
Kaum dass sie Platz genommen hatte, legte er ihr auch schon den Stauschlauch an und stieß eine Nadel in die Vene an ihrem Ellbogen.
„ Das war’s für heute. Karl bringt Sie auf Ihr Zimmer.“
Für heute … Sie wagte nicht, an das Ungewisse zu denken, das ihr noch bevorstand. Kaum war sie aufgestanden, kam auch schon Karl herein. Als hätte er vor der Tür alles mitbekommen. Irgendwie erinnerte er sie an ein zu groß geratenes Kind. Ein unheimlich großes, dickes, ungelenkes Kind. Er brachte sie in ihr Zimmer. Dort angelangt hörte sie erstmals mit großer Erleichterung, wie die Tür von außen abgeschlossen wurde. Damit war auch das Böse draußen. Sie wankte zur gegenüberliegenden Glastür und starrte in die dunkle Nacht. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und gleich darauf ergoss sich aus ihnen ein Tränenbach, der warm über ihre Wangen lief. Kira presste Stirn und Hände gegen die kalte Glastür und sank, während ihr Körper von Weinkrämpfen überrollt wurde, langsam zu Boden.
Donnerstag 08.12. 201 1
Musik drang an Philipps Ohr. Langsam erwachte er aus einem tiefen traumlosen Schlaf. Zumindest konnte er sich an keinen Traum erinnern. Im Schlafzimmer war es stockdunkel. Er vernahm Katharinas langsame regelmäßige Atemzüge und musste innerlich schmunzeln. Dieser Morgenmuffel hat vom Radiowecker wirklich noch nichts gehört. Es war ihm unbegreiflich, wie man so tief schlafen
Weitere Kostenlose Bücher