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Rücksichtslos

Rücksichtslos

Titel: Rücksichtslos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Slottke
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Wir haben auch jede Menge Arbeit vor uns.“
    Thomas zog seine Jacke aus und setzte sich neben sie. „ Zeig mal vor, was du notiert hast. Vielleicht fällt mir noch was ein.“ Er las alles aufmerksam durch und runzelte leicht die Stirn. „Klingt schon mal gut. Zu einigen Hebammen können auch wir gehen. Aber zuerst müssen alle möglichen Geburtsstätten aufgelistet werden. Das soll Uwe machen. Ich geb ihm schon mal Bescheid“, meinte Thomas und ergriff das Telefon auf seinem Schreibtisch.
    Katharina nickte. „Fangen wir mal mit Frankfurt an. Falls sich dort nichts ergibt, müssen wir weiter flussaufwärts nachforschen. Und wenn die Frau irgendwo anders entbunden hat, in irgendeinem privaten Haushalt, finden wir vielleicht nie raus, wo.“
    Sie legte ihren Notizblock zur Seite und ergriff den ersten Ordner, den Alfred ihr vorhin gebracht hatte. Es handelte sich um die chronologische Abfolge der Ermittlungen der Müll-Toten. Nach denklich schlug sie die erste Seite auf. Zuoberst war das Alarmierungsprotokoll abgeheftet, dann folgten die ersten Fotografien vom Fundort der Leiche im Müllheizkraft werk. So nüchtern wie möglich betrachtete Katharina die Bilder. Im Anschluss kamen die Aufnahmen der Obduktion. Die Plazenta sah aus wie ein zerfallender Fleischklumpen, der an einem modrigen Seil hing. Ihr blieb für einen Moment die Luft weg, obwohl sie den üblen Geruch, den dieses ver wesende Gewebe abgegeben haben musste, nicht wahrnehmen konnte. Schöner anzusehen waren die Leichen aufnahmen auch nicht. Die Zersetzung hatte bereits deutlich sichtbar begonnen, wie die grünlich marmorierte Haut zeigte. In den letzten Jahren ihrer Tätigkeit bei der Mordkommission hatte sie viel gelernt. Zum einen durch die durchwegs positive Zusammenarbeit mit den Rechtsmedizinern. Andererseits hatte sie auch einiges nachgelesen. Ihr Blick wanderte weiter. Von Bild zu Bild. Katharina würde sich alles zu einem späteren Zeitpunkt nochmals genauer vornehmen. Jetzt ging es ihr um den ersten Eindruck. Darum, den Fall auf sich wirken zu lassen. Der Bauch des Opfers schien aufgebläht zu sein. Vereinzelt war die Haut von Knochen durchspießt. An diesen verletzten Stellen, im Gesicht und zwischen den Beinen der Toten, waren bereits Maden am Werk. Katharina schloss kurz die Augen, bevor sie weiterblätterte. Großformatig war das Gesicht der Toten abgebildet. Es war die Zeichnung, die man in den Medien veröffentlicht hatte, da man eine Fotografie keinem Außen stehenden, geschweige denn den Angehörigen hätte zeigen können. Die folgenden Seiten, auf denen die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen und Recherchen aufgelistet waren, durchblätterte sie in rascher Reihenfolge.
    Im Anschluss daran nahm sie das Foto, das Pohl während der Obduktion aufgenommen hatte. So jung. Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals. Abrupt stand sie auf, stellte sich ans Fenster und lehnte ihre Stirn gegen die kalte Scheibe. Ihr Blick ging ins Leere. Weshalb mussten diese beiden jungen Frauen sterben? Für sie war es unbegreiflich, in welche Abgründe man steigen musste, um jemanden zu ermorden. Dass man ein Leben einfach so auslöschen konnte. Zudem noch so ein junges. Hoffentlich hingen die beiden Fälle nicht zusammen … und wenn doch? Sie hoffte, dass es nicht so war und wagte nicht, diesen Gedanken weiterzuspinnen. Noch nicht.
    „ Alles in Ordnung?“, fragte Thomas besorgt. Er musste die Frage noch zwei Mal wiederholen bevor sie reagierte.
    „ Jaja … alles okay.“ Sie nickte, ging zum Schreibtisch und klappte den Ordner zu. „Zeit für die Besprechung“, meinte sie mit einer etwas zu lauten Stimme und die beiden verließen ihr gemeinsames Büro.
     
    *
     
    Der Schreibtischstuhl fiel mit Poltern um, als Philipp aufstand. Seit einiger Zeit hatte er Probleme, sich auf seine Arbeit zu kon zentrieren. Begonnen hatte es wenige Monate nachdem er Katharina kennengelernt hatte. Zuvor war er voll in seinen eigenen Forsch ungen und Experimenten aufgegangen. Doch seitdem sich diese am Ende der damaligen Ereignisse buch stäblich in Rauch aufgelöst hatten, merkte er, wie ihm nach und nach die Energie für die physikalische Arbeit schwand. Nie hätte er für möglich gehalten, dass ihm dies jemals passieren würde. Philipp fuhr sich langsam durch seine Haare. Dann rieb er sich die Augen und ein Seufzer entfuhr ihm. Fast in Zeitlupe stellte er den Stuhl wieder auf. Sein Blick wanderte über die Papiere auf seinem Schreibtisch. Als physikalisches

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