Rücksichtslos
konnte. Nachdem Katharina bei ihm eingezogen war, war er einige Male morgens beinahe aus dem Bett gefallen, als der von ihr eingestellte Wecker anging. Nach ein paar Tagen hatten sie sich darauf geeinigt, ihn leiser zu stellen. Somit hatte Philipp fast jeden Morgen das Vergnügen, Katharina aufzuwecken. Er drehte sich zu ihr, beugte sich über ihren Nacken, um ihren Duft tief einzuatmen, küsste sie sanft auf den Hals und murmelte in ihr Ohr: „Aufwachen. Zeit zum Aufstehen.“
W as er erntete, war ein Stöhnen. „Das kann nicht sein, dass die Nacht schon vorbei ist.“ Sie drehte sich auf den Bauch und zog sich das Kissen über den Kopf.
„ Doch. Es ist kurz nach halb sieben. Raus aus dem Bett.“
Philipp zog das Kissen weg, stand schwungvoll auf und ging ins benachbarte Bad. Nach einer Katzenwäsche zog er sich Jeans und ein weißes Poloshirt an. Als er das Badezimmer verließ, kam Katharina ihm verschlafen entgegen und ging wortlos an ihm vorbei. Philipp schlenderte gut gelaunt in die Küche und stellte das Radio an. Anschließend richtete er für sie beide eine Schüssel Müsli und ließ zwei Tassen Kaffee aus der Maschine. Nachdem er die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus dem Briefkasten geholt hatte, setzte er sich an den Küchentisch und faltete sie auseinander. Im Regionalteil stolperte er über einen Artikel, der von der unbekannten Toten an der Griesheimer Staustufe handelte. Daneben war eine Fotografie der Leiche abgebildet, mit der Frage, ob jemand diese Frau kenne. Neugierig begann er zu lesen. Kurz darauf kam Katharina herein, setzte sich zu ihm an den Tisch und griff sofort nach der Kaffeetasse.
„ Herrlich.“ Sie nahm einen Schluck . „Wie du morgens so aus dem Bett hüpfen kannst ist mir ein Rätsel.“
„ Wenn ich nicht arbeiten muss, bleibe ich auch gern liegen, wie du weißt.“
Er zwinkerte ihr zu, und eine leichte Röte überzog Katharinas Wangen. Dass Philipp es noch immer schaffte, sie zum Erröten zu bringen. Er reichte ihr einen Teil der Zeitung.
„ Gleich auf der ersten Seite steht was über euren Mordfall.“
Katharina überflog den kurzen Artikel. Die Auffindung der unbekannten Toten wurde beschrieben, ebenso wie die Annahme, dass es sich um Mord handelte. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, Hinweise abzugeben. Der Artikel war wirklich ausführlich.
„ Ich bin mal gespannt, ob wir wenigstens ein paar interessante Tipps erhalten.“
„ War es denn wirklich Mord, so wie es in der Zeitung steht?“
„ Ja. Nichts deutet auf einen natürlichen Tod hin.“
„ Hm.“ Philipp machte eine bedrückte Miene. Auf dem Bild sah die Tote verdammt jung aus.
„ Absolut grässlich. Wir arbeiten auf Hochtouren, um den Mörder zu finden.“
„ Also, ich wollte nicht mit dir tauschen. Aber ich weiß, wie sehr du deinen Job liebst.“
„ Es gibt viele schreckliche Augenblicke. Der gestrige Tag gehört dazu. Aber stell dir vor, niemand würde solchen Menschen Einhalt gebieten. Ich freue mich jetzt schon auf den Tag, an dem sich bei diesem Mistkerl die Handschellen schließen.“
Sie warf Philipp einen entschlossenen Blick zu.
„ Und auf diesen Tag werde ich zielstrebig hinarbeiten. Mit allen meinen zur Verfügung stehenden Mitteln.“
Ihre Hand schloss sich so fest um den Löffel, dass die ihre Knöchel weiß hervortraten. Katharina schien sich wieder zu entspannen, sie aß sie den letzten Rest Müsli, stand auf und stellte das Geschirr in die Spülmaschine.
„ Heute muss ich zeitig in der Kriminaldirektion sein.“
Eilig lief sie aus der Küche. Kurze Zeit später kam sie nochmals herein. Philipp hatte sich gerade noch eine zweite Tasse Kaffee aus der Maschine gelassen. Katharina gab ihm einen Abschiedskuss. Dann war sie weg. Sein bewundernder Blick blieb noch einen Moment an der Stelle hängen, an der er sie zuletzt gesehen hatte. Auch spürte er ihren Kuss noch auf seinen Lippen. Versonnen legte er die Zeitung zur Seite und musste daran denken, wie sie in sein Leben gestürmt war. Als wären damals die äußeren Umstände nicht schon spektakulär genug gewesen, hatte sie sein Gefühlsleben völlig auf den Kopf gestellt. Es waren hektische Tage gewesen. Damals. Dennoch hatten sie sich kurze Momente der Zweisamkeit stehlen können, in denen sie sich näher gekommen waren. Und noch immer verstanden sie sich meist blind und wortlos, und bislang ohne jeglichen Streit. Es kam Philipp vor, als hätte er bereits sein halbes Leben mit ihr verbracht. Er hoffte, dass alles so
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