Rücksichtslos
Haaren.
„ Was genau darf ich der Presse mitteilen?“, fragte sie, wie immer durch und durch professionell.
„ Nur, dass eine Leiche im Wald bei Gravenbruch gefunden wurde. Liegezeit unbekannt. Mehr nicht. Wir brauchen noch Zeit.“ Dass es sich um eine weibliche Leiche und ein totes Baby handelte brauchte die Öffentlichkeit noch nicht wissen.
Stephania Franticelli nickte, machte sich einige Notizen und ging.
Ihr Kopf schmerzte, und Katharina öffnete ihre Haare. Ihre Gedanken kreisten ständig um das tote Baby. Das Bild hatte sich in ihrem Gehirn festgefressen. So klein. So unschuldig. Warum musste es sterben? Oder war es doch ein natürlicher Tod gewesen? Nein. Das glaubte sie nicht. Wenn sie doch wirklich so schnell untersuchen könnten, wie ihre fiktiven Kollegen in diesen CSI-Serien. Eine DNA-Analyse innerhalb von einer Stunde. Zum Totlachen. In dieser Zeit erhielten sie nicht mal einen Abgleich der Fingerabdrücke. Die Warterei machte sie verrückt. Hastig tippte sie Zilinskis Nummer. Vielleicht hatte er schon etwas auf der blauen Wanne gefunden.
„ Gerade wollte ich anrufen. Auf der Wanne befinden sich Abdrücke von mindestens zwei Personen. Wir jagen sie eben durchs AFIS. Die Wanne selbst ist schon auf dem Weg nach Wiesbaden. Vielleicht finden die Kollegen dort auch eine DNA-Spur.“
„ Wie lange dauert es, bis das Ergebnis vorliegt?“
„ Werden wir sehen. Bis zum Jahreswechsel haben wir noch paar Stunden Zeit.“ Zilinski lachte leise.
Auch Pohl meldete sich nochmals, bevor er das Institut verließ. Die Leichen seien noch gefroren. Allerdings habe er Gewebeproben zur DNA-Analyse entnommen. Auf die Ergebnisse müssten sie allerdings wie immer ein paar Tage warten.
Warten! Katharina konnte das Wort nicht mehr hören und stand so schnell auf, dass sie Thomas, der ihr einen Kaffee brachte, beinahe die Tasse aus der Hand schlug.
„ Hey, nicht so stürmisch. Ich dachte, Koffein schadet nichts, da wir ja wach ins neue Jahr wechseln wollen.“
„ Entschuldige“, meinte sie zerknirscht. „Aber das tote Baby geht mir echt nach.“
„ Ja, schon seltsam, das mit den sechs Fingern.“
An die sechs Finger hatte sie nicht mehr gedacht. Thomas hatte recht. Sie schlürfte von dem heißen Getränk und versuchte, sich wieder auf ihre Unterhaltung zu konzentrieren. Sämtliche Fakten zu allen Fällen lagen vor ihnen ausgebreitet oder standen an der Tafel. Verzweifelt suchten sie noch mehr Gemeinsamkeiten.
„ Die Babys sind der Schlüssel“, murmelte sie vor sich hin.
„ Was hast du gesagt?“, fragte Alfred.
„ Dass die Babys der Schlüssel sind. Wobei ich nicht so recht glauben kann, dass es bloß um Kinderhandel geht. Dazu müsste man doch die Mütter nicht umbringen.“
„ Nicht unbedingt“, meinte Thomas. „Es gibt mit Sicherheit genug Frauen, die ihre Kinder verkaufen würden, quasi als Leihmutter, auch wenn das bei uns verboten ist.“
„ Ja. Am besten denkt jeder mal darüber nach.“ Katharina stand auf. „Ich geh jetzt heim. Sonst können wir die Knaller um Mitternacht hier zünden. Weiter kommen wir heute eh nicht mehr.“
Ihre Kollegen waren genauso erschöpft und irgendwann konnte man einfach nicht mehr denken.
Thomas setzte sie zu Hause ab, wo sie bereits ungeduldig von Philipp erwartet wurde, der sie sofort in die Arme schloss und zärtlich drückte.
„ Ich habe schon alles vorbereitet“, flüsterte er in ihr Ohr, während er daran knabberte. „Bestimmt hast du den ganzen Tag nichts Richtiges gegessen.“
„ Ja.“ Erst jetzt bemerkte sie, wie ausgehungert sie war.
Zwei Stunden später saß sie satt und vom Rotwein beschwipst auf dem Sofa. Noch eine Stunde bis Mitternacht. Zum ersten Mal seit einigen Tagen fühlte sie sich entspannt, was sie auf den Alkohol schob. Und plötzlich kam ihr wieder in den Sinn, woran sie bereits am Morgen gedacht hatte. Das so unglaublich war, dass sie es selbst kaum glauben konnte.
*
„ Was bist du denn so aufgeregt?“, fragte Philipp, der mit einer Flasche Sekt ins Wohnzimmer kam. „Noch wenige Minuten bis Neujahr.“
„ Mir ist etwas eingefallen. Ich erzähle es dir später.“
Philipp ließ den Korken knallen und schenkte ein. Dann beobachtete er seine Funk-Armbanduhr.
„ Drei - zwei - eins - ein gutes Neues Jahr mein Liebling!“
„ Das wünsche ich dir auch.“ Sie küssten sich und tranken einen Schluck.
„ Das wird unser Jahr“, murmelte Philipp. „Unsere Hochzeit und vielleicht … “ Er streichelte ihr
Weitere Kostenlose Bücher