Ruegen Ranen Rachedurst
sicher besser gewusst, wie man in solch einer Situation reagiert. Aber andererseits hatte Benecke sich so oft in die Lage von Tätern unterschiedlichster Verbrechen hineinversetzen müssen, dass er dachte, es sei am besten, in dieser Situation einfach dem Instinkt zu folgen.
„ Hallo, ist mit dem Kind etwas Schreckliches passiert?“
„ Ich …“
Der Fremde sprach nicht weiter. Aber für dieses eine Wort hatte er vergessen, die Stimme zu verfremden, indem er sich nichts vor den Mund hielt. Ein einziges Wort, das war keine besonders umfangreiche Sprachprobe und zudem hatte Benecke nicht die Möglichkeit, sie sich noch einmal vorspielen zu lassen. Kommt mir bekannt vor, ging es ihm sofort durch den Kopf. Er wusste nur nicht mehr woher. Er zermarterte sich das Hirn darüber, aber es wollte ihm einfach nicht einfallen. „Können Sie mir nicht sagen, wer das Kind war?“, hakte Benecke noch einmal nach.
Die Verbindung wurde unterbrochen.
„ Das war der Täter“, erklärte Benecke seinem gebannt lauschenden Publikum.
Hauptkommissar Jensen fauchte ihn böse an: „Wie bitte? Sind Sie gut bekannt mit ihm, oder machen Sie jetzt einfach nur Witze! Falls Letzteres der Fall sein sollte …“
„ Das ist kein Witz!“, beharrte Benecke, und dann fasste er ihm kurz zusammen, was sich in Sassnitz ereignet hatte. Der Anruf im Kutter 4 und wie er in die Fischhalle beordert worden war.
„ Die Nummer muss man doch zurückverfolgen können!“, meinte Jensen, nun schon etwas versöhnlicher.
„ Rufnummernunterdrückung – da ist unser Freund auf Nummer sicher gegangen.“
„ Und was ist das für ein Kind, worüber Sie mit ihm geredet haben?“, wollte Jensen jetzt wissen.
Benecke schüttelte kurz den Kopf. „Keine Ahnung. Finden Sie es heraus!“
„ Jetzt nehmen Sie mich wieder auf den Arm!“
„ Keineswegs! Tun Sie einfach das, was ich Ihnen vorhin schon gesagt habe! Kümmern Sie sich um den ersten Fall! Maximilian Meyer-Sklodorowsky wurde auf dieselbe Weise getötet. Die Leiche hatte auch einen Käfer im Halsstumpf, der außerdem in unsere Kontinenten-Reihe passt. Meyer-Sklodorowsky ging mit Frank Schneider zusammen in die Schule, aber es muss noch eine Gemeinsamkeit geben – und zwar unter allen fünf Opfern. Und ich wette, dass dabei irgendein Kind eine Rolle spielt …“
„ Und Käfer!“, ergänzte George. „Vergessen Sie die Käfer nicht!“
Jensen atmete tief durch.
„ Geben Sie uns die Erlaubnis, Ihr iPhone abzuhören? Der Kerl könnte Sie ja noch einmal anrufen. Und technisch ist das nicht sehr aufwändig …“
„ Ich habe nichts dagegen“, sagte Benecke.
Der Erkennungsdienst traf schließlich ein. Die Arbeiten am Tatort würden sich wohl noch eine Weile hinziehen. Benecke wirkte nach dem Anruf des Unbekannten nachdenklich. Auf jeden Fall hielt er das iPhone immer griffbereit.
Jensen telefonierte in der Zwischenzeit, um alles für das Abhören von Beneckes Mobiltelefon zu regeln.
Der Kriminalbiologe grübelte immer noch darüber nach, wo er nur diese Stimme gehört hatte …, aber es half nichts. Er kam nicht drauf.
Dann wandte sich plötzlich Susanne Hawer an Benecke und George. Auch sie hatte zwischenzeitlich telefoniert. „Herr Benecke, mein Kollege ruft mich gerade an. Jemand hat sich bei der Polizei gemeldet. Eine Käfersammlung wurde zum Verkauf angeboten: Über zehntausend Präparate! Ich meine, so etwas ist ja nun nicht gerade häufig zu finden, oder?“
„ Wo und wann?“, fragte Benecke.
„ Das war heute Morgen in der Inselbäckerei Kruse in Bergen.“
„ Hä?“, ertönte ein typisch rheinländisches Wort aus dem Munde von George.
***
Benecke und George fuhren nach Bergen, auf den meisten Teilstrecken der Allee mit Tempo 80. Hauptkommissar Jensen folgte mit seinem Wagen.
Unterwegs war ein Geräusch in Georges Wagen zu hören.
„ Das hört sich aber nicht gut an. Ich würde mal in die Werkstatt fahren.“
„ Dafür haben wir keine Zeit“, entgegnete George. „Außerdem irren Sie sich. Da ist nichts Ernstes.“
„ Ich gebe zu, dass ich deutlich mehr von Maden als von Autos verstehe. Trotzdem…“
Sie erreichten die Inselbäckerei am Bergener Markt und stiegen aus.
„ Jemand wollte, dass wir dies hier aufhängen“, berichtete ihnen wenig später der Inhaber, Herr Kruse, und überreichte ihnen einen gefalteten Zettel. „Käfersammlung mit mehr als zehntausend Präparaten abzugeben gegen Höchstgebot“ stand dort. Allerdings war als Kontaktmöglichkeit
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