Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
Nasenlöcher blähten sich. »Du bist ein Narr«, rief er aufgebracht. »Glaubst du, ich hätte mir auch nur einen Moment Sorgen um deine Ängste gemacht? Du, der du nur allzu bereitwillig dein Leben zerstörst … «
»Ja«, fiel James ihm ins Wort. »Ich habe mein Leben nur allzu bereitwillig zerstört. In dem Punkt hast du recht. Ich habe mich dieser Aufgabe verschrieben und mir eingeredet, dass es um ihretwillen war. Dass ich dich dadurch zwingen könnte, dein Vorgehen zu bereuen. Einzugestehen, dass du mit deiner Sturheit uns beiden Unrecht getan hast und ihr Leben um deines Stolzes willen zerstört hast. Doch selbst nachdem mir klar geworden war, dass es hoffnungslos ist – dass du viel zu eingenommen von dir bist, um je eine Schwäche einzugestehen – , habe ich weitergemacht. Ich habe einzig und allein weitergemacht, um dich zu ärgern.« Er lachte leise. »Eine so perverse Hingabe, ausschließlich dir gewidmet: Ist je ein Kind loyaler gewesen? Selbst Stella hat dir verziehen, doch ihre Erwartungen an dich waren schon immer niedriger. Sie lässt deine Fehler außer Acht, weil sie dich liebt. Ich persönlich sehe den größten Fehler bei mir selbst: Ich verabscheue deine Fehler, liebe dich aber trotzdem. Wenn es anders wäre, würde ich dich nicht so sehr hassen.«
Moreland saß ganz still da. »Was heckst du jetzt wieder aus?«
»Nichts.« James musterte ihn lange. »Ich bin dieser aussichtslosen Situation überdrüssig. Sie ist kindisch. Ich bin bereit, es auf sich beruhen zu lassen. Wir werden einander nie mögen, und ich werde sicher nie verstehen, warum du Stella ermutigt hast, zu Boland zurückzugehen. Aber ich kann jetzt glauben, dass sie in dieser Anstalt bleiben will und dass du das wusstest und dass dies die Grundlage deines jüngsten Verhaltens war.« Er zuckte mit den Achseln. »Das ist immerhin ein Anfang.«
Moreland stieß hörbar die Luft aus. »Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte«, sagte er heiser, »würde ich Bolands Antrag ablehnen. Aber was danach kam? Ich hätte nichts daran ändern können, James. Weder du noch ich hätten etwas tun können. Sie war eigensinnig, leichtfertig und auf Schwierigkeiten aus. Sie war eine Gefahr für sich selbst. Sie muss vorerst dort bleiben. Du darfst nicht versuchen, ihr das auszureden.«
»Das habe ich doch schon gesagt. Aber ich will auch etwas von dir.«
»Als Gegenleistung … ich hätte es wissen müssen.«
»Nein«, widersprach James. »Unabhängig davon werde ich sie in Ruhe lassen. Was dies betrifft … bitte ich dich wohl eher um einen Gefallen.«
Moreland grunzte. »Das wird interessant. Was willst du?«
»Es gibt da ein Problem. Ich brauche … « Gott, jeder Instinkt in ihm rebellierte dagegen, dieses Wort in seines Vaters Gegenwart auszusprechen. Er holte tief Luft. »Du musst für mich den Vater spielen.«
In dem nachfolgenden Schweigen fragte er sich, was Moreland durch den Kopf ging. »Was für ein Problem?«, fragte der Earl. Seine Stimme war abweisend. »Ich werde erst eine Vereinbarung treffen, wenn ich die Einzelheiten kenne.«
»Wie ich eben schon sagte«, erklärte James. »Ich will, dass du für mich den Vater spielst. Ich will, dass du mir dabei hilfst, die Hand der Frau zu gewinnen, die ich heiraten will. Im Gegenzug kann ich nicht weniger für dich tun, als den Sohn zu spielen.«
Lydia war bisher nicht klar gewesen, dass Täuschung ein nobler Aspekt der Liebe sein konnte. Als ihre Familie sich am Abend an den Esstisch setzte (George und Sophie, Ana und Mr Pagett, Papa, der ihr nicht in die Augen sehen konnte, jedoch heute Vormittag in ihre Zimmerflucht gekommen war, um ihr stockend mitzuteilen, dass Ashmore sein Versprechen gehalten hatte), hielt sie den Mund und lächelte. Ana strahlte und sonnte sich in der Aufmerksamkeit ihres Liebsten. George zeigte sich Pagett von seiner besten Seite und legte wieder den Esprit an den Tag, auf den sie einst hereingefallen war. Sophie genoss ausnahmsweise Papas volle Aufmerksamkeit. Ihr glückliches Lächeln, ihre geröteten Wangen und ihre neckenden Bemerkungen an ihn stimmten Lydia ein klein wenig traurig. Es schien, als hätte Sophie sich tatsächlich ein Leben lang danach gesehnt, in ein Unwetter hinauszulaufen, nur um ihn auf sich aufmerksam zu machen, sich nur nie dazu überwinden können. Und mir ist es nie in den Sinn gekommen, es ihr beizubringen. Das bedauerte Lydia jetzt sehr.
Aufgrund dieser Erkenntnis machte sie weiterhin gute Miene zum bösen Spiel, als Papa so
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