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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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ermunterndes Nicken hin löste sie die Schnur, mit der sie zusammengebunden waren.
    Der erste Papierbogen enthielt die Einzelheiten einer Reise: eine Fahrt mit dem Dampfschiff nach New York. Eine Zugreise nach Toronto, Kanada. Neben dem Namen der Stadt fand sich die entschlossen hingekritzelte Anmerkung: Gott weiß, wie wir von dort aus quer über den Kontinent zu den Indianern kommen. Aber was sagst du? Flitterwochen im Lande des Mülls .
    Sie presste die Lippen zusammen. Ob sie sich das Lachen oder das Schluchzen verkneifen wollte, wusste sie selbst nicht. Mit linkischen Händen blätterte sie weiter.
    Es war eine Sondergenehmigung.
    Moreland musterte sie schon die ganze Zeit über so eingehend, dass es ihr unangenehm war. »Ja«, murmelte er. »Vielleicht kennt er Sie wirklich. Auf jeden Fall brauche ich eine Antwort von Ihnen, und dann werde ich das einzig Richtige tun und Ihren Vater konsultieren. Ich meine zwar, dass das eigentlich James’ Aufgabe ist, aber so lange er sich versteckt wie ein unreifer Junge, kann ich das genauso gut für ihn erledigen.«
    Tun Sie’s nicht, hätte sie fast gesagt. Das geht meinen Vater nichts an.
    Doch ihr Fingerspitzengefühl hielt sie davon ab. Der Earl wirkte alles andere als entspannt in seiner Rolle. Seine Schultern waren steif und unbeweglich, während seine Finger auf dem Griff seines Stockes nervös zuckten. Zweifellos fühlte sich James gleichermaßen unbehaglich, wo auch immer er sich versteckt hielt. Er musste das Gefühl haben, ein großes Risiko eingegangen zu sein, indem er diese Aufgabe in die Hände seines Vaters legte.
    Mein Gott. Das Ausmaß seines Handelns wurde ihr erst jetzt richtig bewusst. Er war für sie zu Moreland gegangen. Er hatte eine Art Aussöhnung herbeigeführt. Für sie. Hätte sie nach einem Liebesbeweis verlangt, hätte sie sich keinen besseren wünschen können.
    Sie wollte ihn sehen, jetzt sofort, mit einem Verlangen, das sie fast vernichtete. Ihr stockte der Atem. Doch sie würde vor dem Earl nicht weinen. Seinem Auftreten nach zu urteilen, war die Wiederannäherung allenfalls fragil gewesen, und sie glaubte nicht, dass James es schätzen würde, wenn sie Moreland einen unnötigen Vorteil gewährte.
    Bei diesem Gedanken schlich sich ein Hauch Traurigkeit in ihr Staunen. Wir werden ganz allein sein, dachte sie. Ihren Vater wollte sie auf der Hochzeit nicht dabeihaben. Und sie würden auch die Feiertage nicht in Morelands Haus verbringen. Wenigstens nicht in naher Zukunft.
    Aber es gab ja noch Ana. In ein paar Jahren wäre vielleicht auch Stella wieder bei ihnen. Und irgendwann auch ihre eigenen Kinder. Ein neuer Zyklus, eine neue Chance, die Sache wieder ins Lot zu bringen.
    Unsere Kinder.
    Diesen Traum hatte sie schon lange aufgegeben. Sie hatte sich eingeredet, dass derartige Dinge nicht für sie bestimmt waren. Doch jetzt zweifelte sie nicht mehr daran. Hätte James ihr die Sterne vom Himmel geholt, hätte er ihr seine Liebe nicht wirkungsvoller beweisen können.
    Sie hielt sich die Hand vor den Mund. Das war auch bitter nötig, denn in diesem Zustand waren ihre Lippen zu nichts zu gebrauchen. Sie drückte gegen sie, um das Blut zurückzudrängen, damit sie wieder fest genug wurden, um Worte zu bilden und sprechen zu können. »Wo ist er?«
    Moreland schnaubte verächtlich. »Hockt zweifellos in seiner Kutsche.«
    »Und wo ist die Kutsche?«
    Er riss schockiert die Augen auf. »Großer Gott, Miss Boyce! Beherrschen Sie sich! Wo sollte sie sonst sein als am Straßenrand?«
    Sie flog förmlich aus dem Zimmer. Durch das Treppenhaus. Am verwunderten Portier vorbei, der zu langsam für sie war. Die Türklinke war alt und widerspenstig. Sie widersetzte sich ihren schweißnassen Händen, doch von derartigen Nichtigkeiten ließ sie sich nicht aufhalten. Nun die Treppe hinab, ein Stolpern über ihre Röcke, sie raffte sie großzügig hoch, als sie durchs Tor nach draußen rannte.
    Er hatte schon nach ihr Ausschau gehalten. Er kannte sie besser als sie sich selbst. Die Kutschentür öffnete sich langsam. Doch sie kannte ihn genauso gut. Er war nicht unnütz, ob nun in seiner kleinen Welt in Mayfair oder außerhalb. Und wenn er es beweisen wollte, gab es keinen besseren Ort als Kanada, um damit anzufangen.
    Er fing sie auf und zog sie in die Kutsche. »Hallo«, sagte er grinsend. »Hat dir meine Überraschung gefallen?«
    Sie umfasste seine Wangen fest. »Du bist unmöglich«, murmelte sie und drückte ihm mehrere Küsse aufs Gesicht. »Deinen

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