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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meredith Duran
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von Bedeutung sind.«
    »Und wenn ich Sie nun nach meinem Charakter fragte? Ach, ich weiß, Sie halten mich für paranoid. Aber würde die Wissenschaftlerin ihre weiteren Schlussfolgerungen mit mir teilen?«
    Die Neugier in seiner Stimme klang echt. Aber warum sollte ihn ihre Meinung über ihn interessieren? Verunsichert rieb sie mit dem Finger über die Türklinke. Er hatte einen so wunderschönen Mund, dachte sie. Volle, üppige Lippen, die das Gesicht eines anderen Mannes vielleicht zu sehr dominiert hätten. Doch seine ausgeprägten Wangenknochen, die gerade Nase und das markante Kinn glichen das problemlos aus.
    Sie umfasste die Türklinke. Das war genau sein Problem. Mit einem weichlicheren Kinn oder trüberen Augen hätte er als Kind vielleicht ein paar Schläge aushalten müssen und dabei etwas Demut gelernt. Sein Angreifer heute Abend jedenfalls hatte nichts dergleichen erreicht. »Sie sind ein Schmetterling«, erklärte sie. »Von Natur aus ziellos, mit voller Absicht zu nichts zu gebrauchen und höchst dekorativ. Lästig, wenn Sie jemandem ins Gesicht flattern.«
    Zu ihrem großen Ärger lachte er. Es gab keine schlimmere Plage als einen Mann, dem es nichts ausmachte, beleidigt zu werden! Welche Waffe konnte man als Frau dann noch gegen ihn verwenden? »Ein Schmetterling? Sehr schön, Miss Boyce, gut gesagt. Ja, das gefällt mir. Ein Schmetterling, aufgespießt in einem sehr hübschen Glaskäfig.«
    Wovon auch immer er diese Blutergüsse davongetragen hatte, es hatte ihn sentimental gemacht. »Ach ja, Mayfair«, sagte sie und zog eine Grimasse. »Was für ein schreckliches Gefängnis. Wären Sie lieber in der Fabrik bei Ihren Arbeitern?«
    »Sie haben sich nach mir erkundigt?«
    »Wäre das denn nötig? Bis auf China fällt mir kein Ort ein, an dem Ihr Ruf Ihnen nicht vorauseilt.«
    Er lächelte träge. »Ich sagte ja bereits, dass ich beliebt bin.«
    Und ob er das war. Er benahm sich sehr töricht, und die Leute vergötterten ihn dafür. Ah, welche Wunder ein Titel doch bewirkte! Sie bemitleidete die Verfasser von Benimmregeln. Was für eine schwierige Aufgabe, die Menschen davon zu überzeugen, dass gesellschaftliche Konventionen in irgendeiner Weise auf Vernunft basierten. »In der Tat. Trotz Ihrer größten Bemühungen katzbuckeln alle höchst bereitwillig vor Ihnen.«
    Er seufzte. »Ungerecht, ich weiß. Die weitere Welt lässt ein solches Benehmen bereits hinter sich, doch davon merkt man im Hyde Park noch nichts.« Verdrossen sah er sich im Raum um. » Noblesse oblige . Der Adel tritt einfach weiter um sich wie ein gestürztes Pferd, das eine Kugel benötigt. Aber was soll’s.« Er zuckte mit den Achseln und zog einen Flachmann aus seiner Jacke. »Ich suche mir meine Freiheiten, wo und wann immer ich nur kann.«
    »In einer Flasche werden Sie Ihre Freiheit nicht finden«, sagte sie verächtlich.
    Er sah mit seinen grauen Augen zu ihr auf und warf ihr einen scharfen Blick zu. »Und Sie Ihre nicht in Büchern oder Regeln oder gar in Büchern über Regeln. Aber das hält Sie ja nicht davon ab, sich verdammt viel darauf einzubilden, es zu versuchen.«
    Die Worte schmerzten. Glaubte er, sie sei erfreut darüber, dass die Welt ihr ein derart pedantisches Verhalten abverlangte? Vielleicht vergaß er, dass nicht jede Frau sich darauf verlassen konnte, heldenhaft vor den Gefahren gerettet zu werden, die von Brandy und einer schlecht genähten Turnüre ausgingen. Sie richtete sich zu voller Größe auf. »Wissen Sie, ich glaube, meine Analogie war falsch. Sie sind gar kein Schmetterling, sondern eine Billardkugel. Sie poltern auf höchst ziellose Weise umher … «
    »Ja, dass Sie mich missbilligen, habe ich schon verstanden. Es sei denn, Sie küssen mich gerade.«
    Ihr wurde vor Verlegenheit glühend heiß. Wie konnte er es wagen, ausgerechnet hier von dem Kuss zu sprechen, in dem Raum, den seine Verlobte gerade erst verlassen hatte? »Sie missbilligen?« Sie lachte künstlich. »Nein, über so viel Energie verfüge ich gar nicht. Wenn ich Sie missbilligte, müsste ich auch Dutzende anderer Gentlemen missbilligen, allesamt extrem begütert und privilegiert und – wie ich zu behaupten wage – recht unterbeschäftigt. Nein, Sanburne, Sie verstehen mich völlig falsch. Ich gebe es nur ungern zu, da ich weiß, dass es Sie mit Ihrem Getue vernichtend treffen wird, aber Sie langweilen mich. Sie und Ihr netter kleiner Zirkel sind ein typisches Beispiel dafür. Solche Menschen findet man überall auf der Welt.

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