Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
Privilegien bringen nur selten einen Verstand hervor, der es wert ist, beachtet zu werden, oder ein Verhalten, das es wert ist, ihm nachzueifern, oder eine Lebensweise, die Interesse verdient.«
»Meine Güte.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Was für eine Rede. Und dennoch sind Sie noch geblieben, um sich mit mir abzugeben. Vermutlich sollte ich Ihnen dankbar dafür sein: Ich hätte nicht damit gerechnet, dass eine Wissenschaftlerin ihren guten Ruf für die Gelegenheit riskiert, sich langweilen zu lassen.«
Er hatte recht. Erst jetzt wurde ihr die Intimität dieses Schlagabtausches bewusst. Warum war sie noch geblieben?
»Wissen Sie«, sagte er nun sanfter – sie musste erschöpft wirken, um dieses Tones würdig zu sein – »ich versuche wirklich nicht, Sie zu provozieren. In gewissen Kreisen, Miss Boyce, ist dieses Konzept als Plauderei bekannt.«
»Plauderei?« Sie kam nicht dahinter, ob er sich jetzt über sie lustig machte.
»Ja. Sind Wissenschaftlerinnen nicht mit dem Konzept vertraut? Plauderei bezieht sich normalerweise aufs Wetter, auf Cricket oder die Armen und Bedürftigen. Nun, in einem haben Sie recht: Körperliche Liebe ist im Allgemeinen als Gesprächsthema nicht akzeptabel.« Um seine Lippen zuckte es belustigt. »Oh. An Ihrem reizenden Erröten erkenne ich, dass Ihnen das Konzept durchaus geläufig ist!«
Sie wagte es nicht, ihn zu fragen, welches Konzept er meinte. »Sie sind unverschämt, Sanburne.«
Er ließ eine Reihe ungewöhnlich gerader weißer Zähne aufblitzen. »Und Sie können Menschen gut einschätzen. Genau wie falsche Antiquitäten. Ganz zu schweigen von dem Blick, den Sie einem zuwerfen können: vollkommen tödlich. Was für andere Talente verbergen Sie noch? Gegenwärtig kommen sie mir zahllos vor.«
»Aber jetzt versuchen Sie, mich zu provozieren.«
Er grinste. »Ja. Jetzt ja.«
Das Eingeständnis entwaffnete sie. Sie sah ihn verwundert an. »Warum?«, fragte sie. »Warum versuchen Sie, mich zu provozieren?«
»Hmm.« Er stützte sich mit dem Ellbogen auf den Sessel und betrachtete sie. »Ich weiß nicht so recht. Weil Sie mich amüsieren? Ich genieße diese kleinen Plaudereien.«
Genau wie sie. Das war es auch, was sie hier hielt. Gegen jede bessere Einsicht gefiel es ihr, ihre Intelligenz mit seiner zu messen. Gütiger Himmel! Dabei hatte sie angenommen, dass er über keine verfügte. Ihre Verwirrung wuchs, während sie ihn genauer unter die Lupe nahm. Irgendetwas an ihm war nicht ganz stimmig. Das machte ihn leider irgendwie … interessant.
»Ah«, sagte er plötzlich. »Da fällt mir noch etwas ein: Ich bewundere Ihren Mund, und ich würde ihn gern noch einmal küssen. Sonst noch etwas? … Nein, das war es wohl.«
Sie schluckte. Seine unangemessene Erklärung hatte zur Folge, dass sie jetzt gehen musste, was ihr seltsam enttäuschend vorkam. »Nun«, sagte sie. Etwas mehr Empörung, Lydia! »Ich habe auch ein Talent für einen denkwürdigen Abgang.« Sie zog die Tür auf. »Sehen Sie gut zu: Sie können noch etwas von mir lernen.«
»Verschreckt, weil vom Küssen die Rede war? Von einer Frau mit Ihrer begrenzten Erfahrung ist wohl nichts anderes zu erwarten.«
Verschreckt? Das konnte sie nicht auf sich sitzen lassen. Sie wirbelte herum, und die Tür knallte hinter ihr zu. »Ach ja? Freut mich zu hören! Ist von mir auch nichts anderes zu erwarten als die Meinung, dass Sie mit mehr Schmuck behängt sind als ein Weihnachtsbaum? Ich muss gestehen, wenn ich einen Omnibus lenkte, würde ich nicht bremsen, wenn Sie mir über den Weg liefen.«
Er starrte sie entgeistert an. Mit einiger Genugtuung stellte sie fest, dass es ihr gelungen war, ihn aus seiner Selbstgefälligkeit aufzurütteln. »Oh, Sie sind wirklich unterhaltsam«, staunte er, stieß sich vom Sessel ab und kam auf sie zugeschlichen.
Ein Schrecken fuhr ihr in die Glieder und setzte sich mit einem eigenartigen Schauer in ihrem Unterleib fest. »Kommen Sie nicht auf dumme Gedanken.«
»Ich kann nicht anders«, sagte er nachdenklich. »Sie inspirieren mich dazu. Das ist eine wunderbare Fügung. Ich hatte sowieso gehofft, Ihnen über den Weg zu laufen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, warum. Guten Abend, Viscount.«
Eine Hand legte sich auf ihren Arm und zog sie zurück. »Wirklich nicht? Ich dachte, ich hätte es Ihnen gerade erklärt.«
»Lassen Sie mich los.«
Sein Blick glitt über ihren Arm und blieb an der unverhüllten Stelle zwischen Handschuh und Ärmel hängen. Sein Daumen ließ sich dort
Weitere Kostenlose Bücher