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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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gerne hätte er noch ein wenig darüber nachgedacht, was Banz wohl dazu getrieben haben mochte, sich nach über dreißig Jahren bei ihm zu melden. Vancouver lag nicht gerade auf dem Weg, und Banz gehörte nicht zu der Sorte Leute, die eine halbe Weltreise auf sich nahmen, nur um mal eben »hallo« zu sagen.
    »Wie sieht er denn aus?«, wollte seine Frau wissen, nachdem sie neben Eschenbach im Fond des Wagens Platz genommen hatte.
    Das war typisch Corina. Sie las keine Wirtschaftsmagazine, und was die Politik des Landes anging, so waren es hauptsächlich die kulturellen Themen, die sie interessierten. Vermutlich stellte Corina sich einen schlanken, an den Schläfen leicht graumelierten Banker vor.
    Aber das war nicht Jakob Banz. Nicht mehr.
    Die Bilder, die Eschenbach in den letzten Jahren von seinem einstigen Mitschüler gesehen hatte, belegten, dass aus dem feingliedrigen und zweifellos gutaussehenden jungen Mann ein Schwergewicht geworden war. Noch immer charismatisch und charmant, jedenfalls attestierte man das Banz seitens der Wirtschaftspresse. Von seinem vollen blonden Haarschopf waren nur noch ein paar Strähnen übrig, und das energische Kinn war zu einem formlosen, schwammigen Etwas aufgedunsen. Rein äußerlich war es eine traurige Transformation, ohne deren Kenntnis der Kommissar seinen früheren Schulkameraden wohl nicht wiedererkannt hätte.
    Das Taxi hielt vor einem mächtigen Bau aus Glas und Beton.
    Nachdem Eschenbach den Fahrer bezahlt hatte, folgte er mit Corina am Arm dem roten Teppichstreifen, der zum Hoteleingang führte.
    Eine unterkühlte Halle empfing sie.
    Corinas Absätze hallten aufdringlich laut, während sie über den hellen, glattpolierten Steinboden in Richtung concierge desk gingen.
    Ein junger Schlaks kam auf sie zu und bat sie, ihm zu folgen. Der Mann trug einen enggeschnittenen italienischen Anzug. Eschenbach schätzte ihn auf Mitte dreißig. Sie gingen wortlos hinter ihm her, traten durch eine offene Verandatür und blickten auf einen kleinen Garten, der mit halbhohen Sträuchern und einigen Palmen umsäumt war.
    Eschenbach sah Banz schon von weitem. Der Bankier war nicht zu übersehen. In einem sandfarbenen Leinenanzug, der ihm auf den Leib geschneidert war, saß er auf einer ausladenden Couch unter einem großen Sonnenschirm. Sein Kopf steckte unter einem Panamahut.
    »Freude herrscht«, rief er aus, als er Eschenbach und Corina erblickte. Und mit einer für sein Körpergewicht erstaunlichen Leichtigkeit erhob er sich aus den Kissen.
    Das Mäntelchen an Herzlichkeit, in das Banz seine Begrüßungsfloskeln packte, fand Eschenbach lächerlich. Es vermochte nicht darüber hinwegzutäuschen, dass Banz und er sich fremd geworden waren und sich noch nie wirklich gemocht hatten.
    Shame on you , du Heuchler, dachte der Kommissar. Shame on you!
    * * *
    Schweißgebadet wachte Eschenbach auf. Es war dunkel im Zimmer; allerdings nicht so finster, dass er nichts hätte erkennen können. Als er sich etwas aufrichtete, erschien ihm das halbhohe Fußteil seines Bettes als schattenhaftes Gespenst mit zwei Hörnern links und rechts. Weiter vorne machte er Stuhl und Schreibtisch aus; rechts davon an der Wand hing ein großes Kreuz.
    Der Kommissar sank zurück ins Kissen und starrte zur Decke. Nach einer Weile folgte sein Blick den Fluchten der Wände, die sich über ihm als dunkelgraue Linien abzeichneten. Es war kein großer Raum, in dem er sich befand. Möglicherweise eine Zelle, folgerte er und atmete ein paarmal tief durch. Mühsam hebelte er die Beine seitwärts aus dem Bett und setzte sich auf die Kante seiner Matratze.
    Durch das Fenster, ein kleines Quadrat in der Mauer, schimmerte das bleiche Licht einer Mondnacht.
    »Wo zum Teufel bin ich?«, murmelte er.
    Ein knarzendes Geräusch drang aus der Stille des Raums: Eschenbach zuckte zusammen und schaute zum Fenster.
    »Sie sprechen im Schlaf«, sagte jemand.
    Eschenbach erkannte die Stimme sofort wieder. Sie kam aus der dunklen Nische, links neben dem Fenster. Judith. Der Kommissar entdeckte die sitzende, schattenhafte Gestalt. »Was zum Teufel machen Sie hier?«
    »Ich wache über Sie.«
    »Und belauschen mich.«
    »Shame on you!«
    »Wie bitte?«
    »Das haben Sie gesagt … im Schlaf. Ich nehme an, Sie meinten nicht mich.«
    Eschenbach räusperte sich. »Nein, natürlich nicht.« Er fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich weiß nicht, was los war …«
    »Haben Sie noch Schmerzen?«
    »Besser.« Der Kommissar setzte sich

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