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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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noch etwas trinken?«
    »Schlafen sie miteinander?«, warf Eschenbach ein.
    Lenz nickte zustimmend, und Gabriel, der zusammen mit zwei seiner Kellner das Essen brachte und die letzten Sätze mitbekommen hatte, meinte: »Ich kenne hier im Quartier einen, der hat 180 Facebook-Freunde. Wenn der in die Beiz kommt, schauen alle weg, zahlen und gehen eine Adresse weiter. Sind denn dort bei Facebook alle so, ich meine so wie der?«
    Weil es in der hinteren Ecke des Restaurants Schafskopf nun roch wie im siebten Himmel, hatte niemand Sinn für eine Antwort. Jeder sah auf seinen Teller.
    Corina lächelte ihren Seebarsch an, Rosa den Teller mit Fegato con cipolle. Eschenbach und Lenz bekamen je eine große Portion Osso Buco à la Milanese, und Kathrin saß – noch immer die Kopfhörer in den Ohren – vor einer Portion Pommes und einem Cordon bleu, so groß wie ein Turnschuh.
    Und auf einmal war es ungewöhnlich still am Tisch.

Kapitel 35
    Großes Kino in Bern
    Z wei Tage später, am Montag kurz nach zwölf, in einem kleinen Sitzungszimmer im Bundeshaus Nord in Bern.
    Adrian Horlacher, Mitarbeiter des Technischen Stabs beim Strategischen Nachrichtendienst (SND), saß Max Hösli gegen­über an einem ovalen Birkenholztisch. Weil Paul Zimmer noch nicht erschienen war, orientierte Horlacher den Zürcher Polizeikommandanten über die bevorstehende Reorganisation der Schweizer Geheimdienste. Als er damit fertig war, blickte er von seinem Laptop auf die Leinwand und wieder zurück: Das Bild war hier wie dort dasselbe, ein schmaler Streifen in milchigem Blau, auf dem die Umrisse der Kuppel des Bundeshauses zu erkennen waren. Weil die Farben dezent gewählt waren, stach der Schweizer Wappenschild am linken oberen Bildrand hervor wie eine rotweiße Sirene.
    »Warum ist das Ding eigentlich nicht viereckig?«, schnauzte Hösli. Es war dem Polizisten anzusehen, dass er nur widerwillig in die Bundeshauptstadt gefahren war. Zimmer hatte ihn gebeten, sofort zu kommen. Ein Mittagessen mit einem Parteikollegen hatte er dafür sausenlassen. Jetzt wartete er zusammen mit Horlacher, einem Subalternoffizier, schon über eine halbe Stunde auf den Nachrichtenchef. Das war deutlich unter seiner Würde.
    »Es ist das offizielle Wappen der Schweizerischen Eidgenossenschaft«, sagte Horlacher mit einer hohen, leicht krächzenden Stimme.
    »Was es ist, weiß ich«, erwiderte Hösli. »Es steht ja daneben … in allen vier Landessprachen. Ich wollte wissen, warum das so ein dämlicher roter Schild und kein Quadrat ist.«
    »Das freistehende weiße Kreuz auf rotem Grund hat dieselben Proportionen wie die Flagge«, sagte Horlacher und rückte seine Brille zurecht. »Im Gegensatz zur quadratischen Form der Flagge ist die äußere Form des Wappenschildes mathematisch nicht genau definiert. Gesetzlich geregelt wurde das Wappen mit dem Bundesbeschluss vom 12. Dezember 1889. Es findet sich ja auch auf den Schweizer Münzen und auf den Kontrollschildern von Autos …«
    »Und auf dem Schweizer Sackmesser«, stöhnte Hösli. »Aber warum, Horlacher! Warum?« Hösli fuhr sich mit beiden Händen durchs kurzgeschorene Haar.
    Der Assistent hinter dem Laptop zog die Schultern hoch und schwieg.
    Und das war exakt der Grund, weshalb der Zürcher Polizeichef mit dem DAB, dem SND und neuerdings auch mit dem NDB am liebsten nichts – aber auch gar nichts – zu tun haben wollte. Denn in der Welt des Max Hösli war die Bundespolizei, egal, welchen Namen sie gerade trug (es wechselte alle paar Jahre), ein monströser Beamtenladen. Man kannte dort Weisungen und Protokolle. Sämtliche Regeln, Beschlüsse und Gesetzesbestimmungen waren auf Knopfdruck verfügbar, auch wenn sie – wie der Beschluss zum Wappen der Schweizer Eidgenossenschaft zeigte – aus dem vorletzten Jahrhundert stammten.
    Warum?
    Auf diese Frage gab es in Bern nur Schulterzucken.
    »Ich habe die entscheidenden Filmsequenzen kopiert«, sagte Horlacher. »Wenn der Chef sie gesehen hat, wird er Ihnen sagen, wie wir mit der Festplatte verfahren werden. Etwas fürs Archiv ist es ja nicht gerade.« Wieder blickte der Assistent vom Laptop zur Leinwand, als wäre zu befürchten, dass durch die Bildübertragung via Beamer etwas von der Schönheit des Regierungsgebäudes verlorenginge.
    Max Hösli kommentierte die Äußerung Horlachers nicht. Stattdessen trommelte er mit den Fingern weiter auf die Tischplatte, sah demonstrativ auf die Uhr und sagte:
    »Warten wir auf den Heiligen Geist?«
    »Auf Godot«,

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