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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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Judith doch noch entdecken. Aber alles bewegte sich: die Schiller und der See. Wie in einem Kaleidoskop änderten sich die Bilder auf dem Wasser. Wellen überschlugen sich, verschwan­den, tauchten wieder auf, sammelten sich zu neuen Formatio­nen, um abermals zu brechen.
    »Wir müssen sie finden!« John begann am ganzen Leib zu zittern, rannte von der Steuer- zur Backbordseite und brach schließlich zusammen, nachdem er das Heck erreicht und mindestens ein Dutzend Mal »Judith« gerufen hatte.
    Die Schaufelräder drehten sich nicht mehr.
    Vielleicht hätte man bei ruhigem Wetter, wenn der Wasserspiegel glatt war, etwas erkennen können, dachte der Kommissar. Aber so war es unmöglich. Zusammen mit dem Matrosen brachte Eschenbach den Mönch zu einer der roten Bänke. Da hockte John nun, atmete schwer und vergrub sein Gesicht in den Händen.
    »Aber es muss doch einen Grund geben«, flüsterte der Mönch nach einer Weile. »Sie müsste doch erleichtert gewesen sein, nachdem Sie das mit Banz erzählt haben … und dass der Ernest ihr Vater war. Es ist doch alles viel besser so. Warum hat sie das getan?«
    »Wir waren schon auf dem Rückweg ins Schiff«, sagte Eschenbach. »Sie hat mich abgelenkt … ist einfach losgerannt. Ich konnte sie nicht mehr aufhalten.«
    John schüttelte den Kopf. »Aber warum?«
    Der Kommissar schwieg einen Moment. Er wollte John nicht sagen, was Judith ihm anvertraut hatte. Dass sie vorgab, Banz getötet zu haben … in Notwehr, wie auch immer. Er wollte zuwarten. Johns Verfassung schien alles andere als stabil.
    Das Polizeischiff kam, mit vier Mann Besatzung.
    Eschenbach schilderte den Vorfall noch einmal. In der Version, die er auch John erzählt hatte. Ein Protokoll wurde gemacht und weitere Hilfe angefordert.
    John bat Eschenbach, den Kapitän zu fragen, ob man denn überhaupt etwas bemerke, wenn ein menschlicher Körper in die Schaufelräder käme. »Einen Ruck … oder Getriebeschaden.«
    Der Kapitän wusste es nicht. In den zwanzig Jahren, in denen er in der Dampfschifffahrt tätig war, zwölf davon als Kapitän der Schiller , wäre so etwas noch nie vorgekommen. Einmal, vermutlich durch einen Baumstamm, sei ein Schaden am Radkas­ten entstanden. Aber gehört habe man nichts. Auch einen Ruck oder so habe es nicht gegeben.
    Zwei Stunden später kam der Suchtrupp. Acht Taucher, verteilt auf zwei Schiffen. Man hatte die Männer aus den Polizeicorps der Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden zusammengestellt. Sie hatten die Suche kaum aufgenommen, als sie ihren Auftrag wieder abbrechen mussten. Das Gewitter, das sich die ganze Zeit über angekündigt hatte, war nun gekommen. Wasserfluten strömten aus der Düsternis eines rabenschwarzen Firmaments. Als der erste Blitz zuckte, wurde es für den Bruchteil einer ­Sekunde taghell, und die aufgedunsenen Wolken erschienen Eschenbach wie ein böses Himmelsgeschwür.
    »Wir müssen abwarten«, meinte der Kommandant. »Hier oben auf dem Urner See ist es einfach zu gefährlich.«
    Eschenbach merkte erst nach einer Weile, dass John neben ihm weinte. Der Kommissar legte seinen Arm auf die Schulter des Bruders. »Kopf hoch«, sagte er. »Die Suche wird aufgenommen, sobald das Wetter besser ist.«
    Aber John ließ sich nicht trösten.
    »Das bringt doch nichts«, sagte er leise. »Jetzt ist alles umsonst gewesen.«
    Das Gewitter war nach einer Stunde wieder vorbei. Zum Glück. Denn Eschenbach war kurz davor gewesen, sich übergeben zu müssen. Der Kommissar konnte sich nicht erinnern, den Naturgewalten je einmal so in die Quere gekommen zu sein.
    Zusammen mit dem Matrosen, dem Kellner und John hatte er im Innern des Dampfers gewartet. Anfangs hatte er noch versucht, John zu trösten, ihm Hoffnung zu machen. Aber schon nach kurzer Zeit war auch er, Eschenbach, immer wortkarger geworden.
    Nachdem das Schlimmste vorbei war, nahmen die Tauch­trupps ihre Suche wieder auf. Die Polizeischiffe fuhren entlang der Route, die die Schiller zuletzt gefahren war, hin und her. Man sah durch Ferngläser, und auch am Ufer hatten sich nun Polizeieinheiten eingefunden. Auch Spürhunde waren dabei.
    Aber Judith fand man nicht.
    Nach über vier Stunden wurde die Suche wegen der nahenden Dunkelheit abgebrochen.
    »Wir setzen jetzt Bojen und werden morgen früh nochmals tauchen, wenn der See ruhig ist«, sagte der Kommandant.
    John und Eschenbach stiegen auf eines der Polizeiboote um und wurden nach Brunnen gebracht. Dort warteten zwei Zivilfahrzeuge der Schwyzer

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