Ruf der Dämmerung (German Edition)
Vater Shawna, wenn sie hier nicht gleich Grenzen zog.
Das Zimmer im ersten Stock war wie erwartet winzig, ging aber zum See hinaus. Die Aussicht war hinreißend, zumal hier gerade keine Wohnwagen den Blick versperrten.
»Wo schläft eigentlich Patrick?«, fragte sie beiläufig, weniger aus echtem Interesse, als um etwas zu sagen.
Alan lachte. »Doch ein bisschen geflirtet, ja? Gib’s zu, es wäre nicht schlecht, wenn er unter deinem Fenster Gitarre spielte! Aber Spaß beiseite, die Helfer sind ziemlich primitiv untergebracht, da müsste man mal was dran ändern. Pat schläft in einem alten Wohnwagen hinter dem Bootshaus. Ziemlich jämmerlich, wenn du mich fragst. Und im Winter feucht. Aber dann ist er ja wieder in Dublin. Ich glaube, er kann’s kaum erwarten.«
Alan McNamara half seiner Tochter, die Koffer heraufzuschleppen und den Laptop aufzubauen. Mit der Internetverbindung klappte es allerdings nicht gleich. Viola hoffte, dass ihr Vater es richten konnte – er war recht geschickt mit Computern, schüttelte jetzt aber bedauernd den Kopf. »Ich muss leider los, Süße, abendlicher Rundgang um die Scholle. Irgendwas mit den Klos an der Ostecke war nicht in Ordnung, meinte Patrick, mal gucken, ob ich das hinkriege … und in der zweiten Reihe Wohnwagen haben sich welche über die Leute in einem der Zelte beschwert, die sollen wohl nachts kiffen …«
Ihr Vater drückte Viola rasch ein Küsschen auf die Stirn, dann verschwand er nach unten. Guinness, der kleine Hund, schaute etwas verwirrt von ihm zu Viola, schloss sich dann aber seinem Herrn an. Viola hörte, wie Mann und Hund die Holztreppen hinunterliefen und von Ainné ein paar Anweisungen erhielten. Dabei hätte sie fast schadenfroh gelächelt. Ihr Witz von heute Morgen traf den Nagel genau auf den Kopf: Dads »Managementposten« war nur eine Umschreibung für »Mädchen für alles«.
Viola selbst räumte zunächst ihre Sachen ein und begann dann, sich zu langweilen. Der Wunsch, Katja zu mailen, wurde übermächtig. Und es musste ja nicht von ihrem Computer aus sein. Bestimmt stand ein brauchbares Gerät im Büro. Nachdem sie eine Stunde mit einem Computerspiel totgeschlagen hatte, das offline nicht sonderlich prickelnd war, entschloss sie sich, Ainné zu fragen.
Die hatte sich inzwischen erhoben – wenn ihr Mann nicht in der Nähe war, schien sie nicht halb so hilflos zu sein – und werkelte in der Küche herum. »Natürlich kannst du an den Computer. Aber vielleicht hilfst du mir erst mit dem Abendessen?«
Es klang wieder leicht vorwurfsvoll und Viola begann schon jetzt, Ainnés Vielleichts zu hassen. Die junge Frau formulierte stets überaus freundlich, aber ihr Tonfall machte klar, dass ihr Gegenüber keine Wahl hatte: Wenn Viola an den Computer wollte, musste sie vorher Zwiebeln schneiden. Immerhin kochte Ainné nicht aufwendig. Im Großen und Ganzen ging es nur um einen Salat und die Verfeinerung von ein paar Tiefkühlpizzen. Als Viola sie schließlich in den Ofen schob, wurden ihr genau zwanzig Minuten Computerzeit zugestanden – eben so lange, bis die Pizzen fertig waren.
Viola verbrachte die ersten drei Minuten damit, das Passwort ihres Vaters zu knacken. Früher hatte er immer ihren Namen benutzt oder den von Mom. Aber jetzt … Windows öffnete sich schließlich nach Eingabe von Irish Rose …
2
Die letzte Ferienwoche – eigentlich als Eingewöhnungszeit gedacht – verging für Viola quälend langsam. Auf dem Campingplatz gab es für sie einfach nichts zu tun – zumindest nichts, wozu sie auch nur einen Anflug von Lust verspürte. Ihr eigener Computer funktionierte immer noch nicht – für den drahtlosen Internetzugang brauchte man einige Zusatzteile, die der Computerladen in Roundwood aus Dublin beziehen musste. Das dauerte ein paar Tage – eigentlich ein Witz bei einer Entfernung von gerade mal fünfzig Kilometern! – und den Bürocomputer durfte sie immer nur kurz benutzen. Das reichte, um Katja und Mom zu informieren, dass Viola bislang weder an Langeweile noch an Ainnés Kochkunst gestorben war – Dads neue Frau schien Gewürze und besonders Salz für überflüssigen Luxus zu halten! –, aber längere Chats waren nicht drin.
Nun war es allerdings nicht so, als hätte sich der Rest ihrer neuen Familie keine Beschäftigungen für sie ausgedacht. Bill zum Beispiel hätte sie gern bei den Pferden eingespannt. Er nahm einfach nicht zur Kenntnis, dass Viola Stallarbeit verabscheute und sich vor den großen Tieren fürchtete,
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