Ruf der Drachen (German Edition)
sich wieder von mir löste.
Sie lächelte ein wenig schief. »Du meinst, was aus deinem WG-Zimmer wird? Keine Ahnung. Wahrscheinlich fliegst du raus.«
»Klingt super.«
Sie lachte. »Ja, oder? Aber ich bin es wert.«
Max kam nicht zurück. Ich suchte die gesamte Bar nach ihm ab. Vergeblich. Offensichtlich war er durch die Hintertür verschwunden. Das flaue Gefühl in meiner Magengegend verstärkte sich. Ich hatte den Eindruck, ihm etwas verschwiegen zu haben, doch das war natürlich Unsinn. Außerdem würden wir noch früh genug Gelegenheit bekommen, miteinander zu sprechen. Zu Hause in der WG. Sofern diese dann noch mein Zuhause war …
Als ich schließlich zu Maren zurückkam, wurde mir mit einem Mal bewusst, dass wir beide allein waren. Umgeben zwar von unzähligen Menschen, die dicht an dicht die Kneipe bevölkerten. Und trotzdem fühlte es sich an, als wären wir die Einzigen weit und breit.
Unsere Blicke begegneten sich.
»Und jetzt?«, fragte ich leise.
Maren lächelte. »Mal sehen …«
***
Wir verbrachten die halbe Nacht im »Waschsalon«, landeten erst am anderen Ende der Bar, später mitten in der Jamsession, wo ich mich wider Erwarten erstaunlich wohlfühlte, und noch später in Marens Wohnung. Ich erinnere mich an den Weg dorthin, an die herbstliche Nachtluft am Ufer, einen sternfunkelnden Himmel, der bereits einen Hauch von Winterklarheit vorausschickte, und das Geräusch unserer Schritte auf raschelndem Laub. Es dauerte eine knappe halbe Stunde und wir schwiegen den größten Teil der Zeit. Es war ein schönes, ein angenehmes Schweigen, ein Schweigen, wie es sich zwischen Menschen einfindet, die überflüssige Worte hinter sich gelassen haben. Und es ist genau dieses Schweigen, das mich noch heute wie eine warme Decke einhüllt, wenn ich an Maren denke. Hätte ich geahnt, welcher Sturm folgen würde, ich wäre diesen Weg niemals gegangen.
KAPITEL III
»Was ist das?«
Ich blinzelte verschlafen. Das Licht der Morgensonne fiel durch die Fensterscheiben und tanzte in exaltierten Punkten über den ochsenblutroten Dielenboden. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich realisierte, wo ich war. Nicht in meinem eigenen Zimmer, sondern …
Maren.
Ich war bei ihr. Und die Stimme, die mir gerade eine Frage gestellt hatte, war ihre.
Langsam richtete ich mich auf. Marens Bett war eine einfache Matratze, die auf dem Boden lag, umringt von unzähligen Büchern, Noten und einigen ungespülten Teetassen. Bei mir zu Hause sah es nicht anders aus. Bis auf das Klavier am Fenster. Marens schwarzer Flügel machte sich gut in dem Erker, von dem aus man in den Innenhof hinuntersehen konnte.
Mein Blick fiel auf Maren, die im Schneidersitz am unteren Ende der Matratze saß. Sie hatte sich in ihren taubenblauen Kimono gehüllt, lächelte mir zu und deutete auf den Stadtplan, den ich gestern einfach nur in die Tasche meiner Jeans gesteckt hatte.
»Du hast da zwei Punkte eingezeichnet. Einen in Friedenau – und der andere sieht aus, als wäre er genau hier. Dieses Haus.« Sie hob amüsiert die Brauen. »Sag jetzt nicht, du markierst die Adressen der Frauen, die du abschleppen willst, vorher auf dem Stadtplan. Dann muss ich dich nämlich auf der Stelle vierteilen.«
»Zu früh für Folter«, murmelte ich und unterdrückte ein Gähnen. »Die Markierungen sind nichts Besonderes. Nur etwas, das mir aufgefallen ist.«
»Und das wäre?«
Ich grinste und senkte das Kinn, ohne den Blick von Maren abzuwenden. »Du bist ziemlich neugierig, dafür, dass wir uns kaum kennen.«
»Falsch. Ich bin neugierig, WEIL wir uns kaum kennen. Vielleicht bist du ein durchgeknallter Psychopath. Davon soll’s in Berlin ja einige geben.«
»Darüber hättest du dir Gedanken machen sollen, bevor du mich mit zu dir nach Hause genommen hast«, antwortete ich trocken. »Wenn ich mich recht erinnere, hast du noch gestern behauptet, nie etwas mit einem Typen gleich in der ersten Nacht anzufangen. Offensichtlich war das eine Lüge. Machst du das eigentlich öfter?«
»Was? Lügen? Oder Männer mit nach Hause nehmen?« Sie legte den Kopf schief und ihr Lächeln wurde breiter. »Bist du etwa eifersüchtig?«
»Nö. Ich will’s nur wissen. Ganz … unverbindlich. Eine soziologische Studie.«
Maren rutschte zu mir hoch, zwinkerte mir zu und setzte sich rittlings auf mich. Ich zog scharf den Atem ein, als ich ihre Wärme spürte.
Maren richtete sich auf und blickte zu mir herunter. »Du bist wirklich süß, weißt du das?«
»Ich gebe mir
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