Ruf der Drachen (German Edition)
Mühe«, murmelte ich.
Maren lachte, ihre Augen glitzerten. »Genau das meine ich.« Sie ließ sich zur Seite fallen, landete neben mir auf der Matratze und schmiegte sich an mich. »Also, was hat es mit den Markierungen auf dem Stadtplan auf sich? Ich habe es zufällig gesehen, die Karte lag auf dem Boden. Ist wohl gestern Nacht aus deiner Jeans gefallen.«
Gut möglich, so wie wir beide uns die Klamotten vom Leib gerissen haben …
Ich schwieg einen Moment, unschlüssig, ob ich Maren von meiner Entdeckung erzählen sollte. Vielleicht würde sie mich für vollkommen verrückt halten? Das war gar nicht so unwahrscheinlich. Andererseits sehnte ich mich danach, mit jemandem über diese merkwürdigen Wasserspeier zu sprechen. Vielleicht würde jemand, der, anders als ich, nicht ständig durch hochsensible Eindrücke beeinflusst war, die ganze Sache auch deutlich abgeklärter sehen? Es wäre gut, eine zweite Meinung dazu einzuholen. Doch wie sollte ich erklären, wie ich überhaupt auf die Speier aufmerksam geworden war?
Schließlich entschied ich mich für die halbe Wahrheit. Ich verschwieg meine besonderen Antennen, mein Gespür für Dinge, die anderen verborgen blieben. Ansonsten nichts. Und während ich sprach, merkte ich ganz deutlich, wie verrückt sich diese Geschichte anhörte.
Maren unterbrach mich nicht ein einziges Mal, doch sie bekam immer größere Augen, je mehr ich erzählte. Schließlich räusperte sie sich.
»Das klingt ja unglaublich. Die Speier funktionieren also nach einer eigenen Rhythmik?«, fragte sie, während ihr Blick mit einer Präsenz auf mir ruhte, die ich so noch nicht erlebt hatte. »Wie hast du das herausgefunden?«
Ich zögerte kurz, dann zuckte ich betont gleichgültig mit den Schultern.
»Manchmal bemerke ich Dinge. Nichts Besonderes, wirklich. Es ist mir eben einfach nur aufgefallen. Wahrscheinlich purer Zufall. Aber da ist noch etwas …«
Ich erzählte ihr von der Botschaft, die ich im Versteck unter dem kleinen Seestern gefunden hatte.
Maren lachte fassungslos auf. »Das ist ja unglaublich! Ich habe nie auch nur den Verdacht gehabt, dass dort ein Geheimfach ist. Und ich wohne hier schon einige Zeit und gehe täglich an dem Brunnen im Hof vorbei.«
»Na ja«, sagte ich, »die meisten Menschen sehen die Dinge einfach – wie soll ich sagen? – anders. Bemerken die Besonderheiten nicht. Die Rhythmik ist dir ja auch nicht aufgefallen. Und dabei bist du Musikerin.«
Maren verzog die Mundwinkel.
»Stimmt. Ich habe das nicht bemerkt. Nicht einmal ich …« Sie hob das Kinn und blickte mich herausfordernd an. »Nun, ich schätze, Max hatte recht.«
»Womit?«
Schlagartig kehrte das flaue Gefühl in meinen Magen zurück. Max und alles, was mit ihm zusammenhing, hatte ich vollkommen verdrängt.
»Du bist ein Freak.«
Ich lachte leise. Maren grinste mich an und ich sah zum ersten Mal, dass sich ihre Nasenspitze dabei ganz leicht krauste. Sexy.
Maren zog den Stadtplan zu uns heran und studierte ihn aufmerksam.
»Du hast erwähnt, dass in die Wasserspeier dieses merkwürdige Symbol eingraviert ist«, sagte sie schließlich nachdenklich.
»Eine Sonne, ja«, erwiderte ich. »Und?«
Maren tippte auf den Plan.
»Könnte es sein, dass sich die Sonne auch auf dem Stadtplan abbildet? Wenn die Botschaft auf Strahlen der Sonne hinweist, dann könnten das Himmelsrichtungen sein.«
Sie griff nach einem Lippenstift, der neben dem Bett lag, und markierte die Mitte Berlins mit einem kleinen Kreis. »Siehst du?« Sie deutete auf das Blatt. »Von der Mitte ausgehend, führen die Strahlen in mehrere Richtungen. Zum Beispiel nach Friedenau im Südwesten und nach Neukölln im Südosten. Vielleicht finden wir noch mehr Wasserspeier, wenn wir gezielt den Strahlen nachgehen?«
Ich hob eine Augenbraue. Maren war ganz offensichtlich nicht nur sexy, sondern auch clever. Gut zu wissen.
»Du denkst, es ist so einfach?«
Maren lachte. »Keine Ahnung. Aber einfach würde ich das nicht gerade nennen. Falls die Wasserspeier wirklich der strahlenartigen Form nach angebracht wurden, sind mehrere von ihnen im Ostteil der Stadt. Viel Spaß, wenn du dich da auf die Suche machen willst!«
Im Ostteil der Stadt … Richtig.
Mir kroch ein eisiges Prickeln in den Nacken, als ich mich an die Mauer erinnerte, die nicht weit entfernt war. Ich würde, um die Botschaft zu überprüfen, nach Ostberlin fahren müssen. Und das erschien mir alles andere als attraktiv.
»Hier, dieser Zettel lag in dem kleinen
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