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Ruf der Dunkelheit

Ruf der Dunkelheit

Titel: Ruf der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Rauch
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Julian betrachtete mich stumm. „Was glaubst du, wohin sie gefahren ist?“, überlegte ich laut und sah zu ihm auf. Er ließ die Schultern hängen und schien kurz nachzudenken. „Eigentlich hat sie so gut wie keinen Anhaltspunkt. Wahrscheinlich will sie nach Boston. Dort hat sich Max´ Spur verloren“, erwiderte er leise.
    „Ich wollte nicht, dass das passiert!“ Stöhnend rieb ich mir die Stirn. „Wie konnte ich nur derart die Kontrolle verlieren?!“ Julian beugte sich zu mir und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. „Mach dir nicht zu viele Vorwürfe. Sie hat dich provoziert – und ehrlich gesagt, behagt mir ihr aggressives Verhalten nicht. Irgendetwas stimmt nicht mit ihr.“
    „Das liegt bestimmt an der Tatsache, dass Max bei Margaretha ist … und nicht bei ihr. Wer wäre da nicht wütend“, gab ich zu bedenken. „Trotzdem … es ist nicht ihre Art. Weder wild mit Anschuldigungen um sich zu werfen – noch einfach Kopflos ins Verderben zu rennen.“ Julian beharrte weiter auf seinen Standpunkt. Insgeheim gab ich ihm recht. Ich kannte Val als sanftes Wesen, mit einer Engelsgeduld. So wie sie sich momentan gab, hatte ich sie noch nie erlebt. „Und jetzt ist sie weg - wütend und allein“ Ich ergriff Julians Hand, die auf meiner Schulter ruhte und schlang meine Finger um sie. Seine Anwesenheit tröstete mich und mir war klar, dass es kein Zufall war, dass gerade er es geschafft hatte, durch meinen, von blankem Zorn vernebelten Verstand zu dringen. Er war mein Halt in dieser dunklen Zeit und wahrscheinlich der einzige Grund, warum ich weiter gegen das Monster in mir ankämpfte. Er hatte seine Dämonen besiegt und ich hoffte sehr, dass es mir eines Tages auch gelingen würde. Julian sank zu mir hinunter und nahm mein Gesicht in seine Hände. Seine Lippen berührten meine und ich wurde erfüllt von Liebe, als ich mich diesem sanften Kuss hingab. Ich war mir sicher, seine Liebe konnte das Monster in mir zurückzudrängen. Zumindest für eine Weile.
    Als er sich von mir löste, fiel sein Blick zur Tür. „Olivia wartet unten auf dich. Sie möchte sich mit dir unterhalten.“ Julian stand auf und hielt mir seine Hand hin. Zögernd ergriff ich sie und ließ es zu, dass er mich auf die Beine zog.
    Ich folgte ihm nach unten und als ich am Fuß der Treppe stand, fiel mein Blick auf Olivia, die am Esstisch saß. Vor ihr war eine Karte ausgebreitet und an ihrem Zeigefinger hing eine goldene Kette, von der ein konisch geformter Anhänger baumelte – ein Pendel. 
    Julian trat an mir vorbei und ging wortlos ins Wohnzimmer, während ich wie angewurzelt stehen blieb und Olivia fast ehrfürchtig beobachtete. Aus ihr war mittlerweile eine sehr mächtige Hexe geworden. „Hallo Tamara – setz dich.“ Sie hob plötzlich den Kopf und sah mich an. Ich nickte stumm und nahm auf dem Stuhl gegenüber Platz. „Was machst du da?“, wollte ich wissen, während mein Blick auf die Karte fiel. „Deutschland?“ Erstaunt hob ich eine Braue und sah zu ihr auf.
    „Ich versuche herauszufinden, wo sie sind – Max und Margaretha“, erwiderte Olivia und legte das Pendel beiseite. Vom Wohnzimmer drang plötzlich Stimmengewirr und laute Musik. Julian hatte offenbar den Fernseher eingeschaltet. „Und du glaubst, dass sie dort zu finden sind?“ Ich senkte meine Stimme etwas. Olivia nickte. „Ich glaube es nicht nur, ich weiß es.“ Sie blickte kurz auf das goldene Pendel, das auf dem Tisch lag, und dann wieder zu mir. In meinem Magen formte sich ein schwerer Klumpen, der mir fast den Atem nahm. „Wie hast du sie so schnell ausfindig machen können?“ Ungläubig erwiderte ich ihren Blick.
    Sie lächelte still ins sich hinein. „Es waren die Details in der Vision – das Bett, ein europäisches Modell. Dazu die Musik, die im Hintergrund lief. Keins meiner Lieblingslieder, aber im deutschen Radio läuft es zurzeit rauf und runter. Und nicht zu vergessen ein Bild an der Wand, gegenüber des Bettes. Es ist eine uralte Skizze der Stadt Rheinberg.“ Olivia stütze das Kinn auf und sah mich durch ihre dichten schwarzen Wimpern an. „Ihre frühere Heimat“, flüsterte ich und war erstaunt, wie genau sich Olivia an die Vision erinnern konnte. Ich war in diesem Moment so fokussiert darauf, zu erkennen, wer neben Max im Bett gelegen hatte, dass ich alles andere übersah. Ich hob den Kopf und horchte angestrengt nach nebenan. Auch wenn Julian vorgab, sich auf den Fernseher zu konzentrieren, wusste ich doch, dass er jedes unserer

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