Ruf der Dunkelheit
mich zu reizen!“, rief Tamara mir zu, doch ich ignorierte ihre Worte. Ich stieß ein tiefes Fauchen aus und rannte los. Wie eine Irre, mit nur einem Ziel, Tamara an die Kehle zu springen. Ich war mittlerweile so wütend, dass es mir einerlei war, ob ich sie ernsthaft verletzen würde. Ich wollte nur, dass sie mich endlich in Ruhe ließ, sodass ich mich auf die Suche nach Max machen konnte. Kraftvoll stieß ich meine Füße vom Boden ab und sauste durch die Luft. Alles um mich herum hatte ich komplett ausgeblendet. Meine Wut kannte nur ein Ziel und ich stürzte nach unten, um mich in ihrem Fleisch zu verbeißen.
Doch Tamara war schneller, packte mich an der Kehle, riss meinen Arm herum und ich heulte vor Schmerz auf, als mein Unterarmknochen knackte und sie mich zu Boden warf. Meine Wange grub sich in den feuchten, erdigen Untergrund und mein Kiefer schmerzte, unter dem Druck ihrer Hand. Krampfhaft versuchte ich, mich aus ihrem Griff zu winden, doch so sehr ich auch zappelte und kämpfte, es gab kein Entrinnen aus ihrem eisernen Händen. Sie senkte den Kopf und ich spürte, wie ihr Atem an meinem Ohr vorbei streifte. „Nur eine winzige Bewegung meiner Hand, würde ausreichen um dir den Kopf abzureißen. Vielleicht möchtest du das ja – es würde dich zumindest von deinem Schmerz erlösen …“, flüsterte sie mit heiserem Unterton und ich erschauderte. Mein Atem entwich meiner Lunge flach und stoßweise, weil sie auf mir kniete und ich war mir nicht sicher, ob sie ihre Drohung wahr machen würde. Etwas an ihr war verändert – sie schien wie ich, von einer unkontrollierbaren Wut beherrscht zu werden. Allerdings vereinte sich diese bei ihr noch mit einer ungeheuren Kraft. Eine tödliche Mischung. So tief es mir möglich war, atmete ich ein und schloss die Augen. Bereitete mich darauf vor, womöglich zu sterben.
Da zerschnitt Julians aufgebrachte Stimme die vibrierende Luft und augenblicklich ließ der Druck auf meinen gepeinigten Körper nach. „Hört sofort damit auf! Was ist nur mit euch los?!“ Anscheinend drangen seine Worte zu Tamaras Verstand durch, denn sie löste ihre Hand von meinem Arm und ich atmete erleichtert auf, als ich spürte, wie meine gebrochenen Knochen begannen zu heilen. Wortlos kletterte sie von mir herunter und biss sich schuldbewusst auf die Lippe. „Ich … es tut mir leid …“, stammelte sie und blinzelte, „das wollte ich nicht.“ Sie hielt mir ihre Hand hin und sah mich an. Ihre Augen waren wieder völlig normal und in ihrem Blick lag etwas Entschuldigendes. Aber ich blieb stur. Handelte aus verletztem Stolz und schnaubte, als ich ihre hingehaltene Hand ignorierte und mich hochstemmte. Ohne ein weiteres Wort trat ich an ihr vorbei, lief um den Wagen herum und öffnete die Fahrertür. Mein Arm schmerzte bei jeder Bewegung, doch ich biss die Zähne zusammen und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, als ich den Zündschlüssel umdrehte und der Motor dröhnend ansprang. Ich legte den Gang ein, gab Gas und warf einen letzten Blick auf Tamara, der Tränen in den Augen standen. Diese Heuchlerin!
Ich fuhr so schnell es auf dem schmalen Weg möglich war und wurde mit jedem Meter, den ich zurücklegte, ein wenig ruhiger. Ein Gefühl der Erleichterung erfasste mich, als ich mich dem Flughafen näherte. Ich würde Max finden und dann würde ihm klar werden, dass er nur mich liebte!
Kapitel 11: Tamara - Abschied
„Hier bist du also.“ Julians besorgte Stimme ertönte hinter mir und ich zuckte zusammen. Ich erwiderte nichts, sondern starrte weiter hinunter auf die schwarze Wasseroberfläche des Sees, auf dem sich das fahle Mondlicht spiegelte. Ich saß im Dachgeschoß in einem Korbstuhl und hatte die Knie dicht an meinen Körper herangezogen. Nachdem Valentina die Flucht ergriffen hatte, wurde mir schlagartig bewusst, dass ich sie um ein Haar getötet hätte.
Beinahe hätte ich die Kontrolle verloren. Für einen Moment hatte die brennende Wut komplett Besitz von mir ergriffen und mich nur noch instinktiv handeln lassen. Weder Val´s Schmerzensschreie, noch das fürchterliche Geräusch ihrer knackenden Knochen, als diese brachen, konnten soweit zu mir durchdringen, als dass es mir möglich gewesen wäre, aufzuhören. Einzig und allein Julian war es gelungen, mich davon abzuhalten, meiner einstigen, engsten Freundin den Kopf abzureißen. Ich seufzte tief. Wie konnte es nur soweit mit uns kommen?
Ich spürte eine warme Berührung auf meiner Schulter und wandte den Kopf.
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