Ruf der Dunkelheit
sich sein Blick auf den Bildschirm. „Nach was suchst du?“
„Nach allem, das mir verraten könnte, wo ich die beiden, oder auch die drei finden könnte - abgelegene Waldstücke, verlassene Häuser, Burgen, Schlösser …“ Ich sah zu ihm auf, weil er einen leisen Pfiff durch seine Zähne ausstieß. „Wow, das klingt so, als würden wir die buchstäbliche Nadel im Heuhaufen suchen.“
Ich zuckte die Schultern. „Na ja, wenn es zu einfach wäre, würde ich in drei Tagen sicher schon wieder im Flieger zurück nach Hause sitzen – aber so ist das nun mal. Ich musste meinen Gefährten zurücklassen, der mir bei unserer nächsten Begegnung sicher den Kopf abreißt – werde mich auf die selbstzerstörerische Suche nach einer Totgeglaubten begeben und hoffen, dass wir alle irgendwie heil aus der Sache rauskommen – nichts Neues für mich.“ Ich dachte an Julian und mein Innerstes zog sich zusammen. War er schon wieder aufgewacht? Wie hatte er es aufgenommen? Und würde Olivia es schaffen, ihm nicht zu verraten, wo ich war? Ich rieb mir die Schläfen, um diese lähmenden Gedanken zu vertreiben und verkniff es mir, eine Vision heraufzubeschwören. Ich brauchte jetzt unbedingt einen klaren Kopf!
„Hey Michael, sei doch so gut und räum die Konserven aus diesem Koffer“ Ich deutete auf mein zweites Boardcase, das von außen zwar aussah, wie ein normaler Trolley, im inneren aber so etwas, wie eine riesige Kühltasche war, „in den Kühlschrank der Minibar.“
„Äh … okay, klar“, stammelte er, sichtlich verwirrt, trottete aber zu meinem Bett, auf dem die Koffer lagen und zog am Reißverschluss. „Was sind denn das für …“ urplötzlich verstummte er, „Konserven“ Das letzte Wort blieb ihm fast im Hals stecken, als er den Deckel meines Koffers angehoben hatte. Ich hob den Kopf und sah ihm direkt in die Augen. „Meine Nahrung.“
Ich beobachtete, wie er einen Moment mit sich rang, doch dann begann er ohne ein weiters Wort, die Blutbeutel fein säuberlich in den Kühlschrank zu schichten. Ich ließ währenddessen weiter meine Augen über den Bildschirm fliegen, doch noch hatte ich nichts Brauchbares entdeckt. Hinter mir erklang ein leises Räuspern. „Ich äh … hab alles eingeräumt.“ Michael hatte betreten seine Hände gefaltet und sah fast so aus, als wisse er jetzt nichts mehr mit sich anzufangen. Offenbar war ihm schlagartig klar geworden, dass ich zwar aussah, wie ein Mensch, sonst aber nicht mehr viel mit dieser Spezies gemein hatte.
„Sag mal, hast du vielleicht schon daran gedacht …“, begann er zögernd, doch seine Stimme brach mitten im Satz ab. Ich horchte auf und wandte mich zu ihm um. „An was?“ Fragend hob ich die Brauen, doch er winkte ab. „Ach … ich weiß nicht, war nur so eine Idee“, murmelte er. Ich legte meine Hand auf seinen Arm, wohl etwas zu ungestüm, denn er zuckte zurück. „Wirklich Michael, was war das für eine Idee? Vielleicht hilft sie uns weiter.“ Behutsam redete ich auf ihn ein. „Na ja, mir kam gerade in den Sinn, dass du Valentina ja einfach mal eine SMS schicken könntest – vielleicht reagiert sie ja darauf.“ Man merkte ihm an, dass er mittlerweile sogar selbst an seinem Einfall zweifelte. „Wieso nicht“, hörte ich mich selbst erwidern und zuckte die Schultern. Michaels Augen weiteten sich ungläubig. „W-was?“ Offenbar war er sich nicht sicher, ob er mich richtig verstanden hatte. Ich seufzte. „Ich sagte: warum nicht? Einen Versuch ist es wert.“ Meine Antwort führte mir vor Augen, wie verzweifelt meine Lage im Moment war. Ich hörte auf den mehr als fragwürdigen Rat eines Fremden, der vor ein paar Stunden in mein Leben geschneit war und der mit seiner etwas zerstreuten Art bis jetzt gehörig meine Nerven strapaziert hatte.
Hallo Valentina, ich bin gerade in Deutschland und würde dich gerne treffen. Wenn du das hier liest, gib mir bitte eine Chance und melde dich bei mir. Tamara
Ich hatte vier Anläufe gebraucht; das Geschriebene immer wieder gelöscht, bis ich halbwegs zufrieden mit den zwei Zeilen war, die nun auf dem Display meines Handy prangten. Langsam fuhr ich mit dem Finger über den Touchbildschirm und verweilte eine halbe Ewigkeit auf der
Senden
-Taste. Schließlich atmete ich tief durch und presste meinen Zeigefinger darauf.
Nachricht gesendet
, informierte mich mein Gerät.
Ich stieß geräuschvoll Luft aus und lehnte mich in meinem Stuhl zurück. Mein Blick fiel auf Michael, der sich gerade eine
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