Ruf der Dunkelheit
Suchend blickte ich mich um, konnte aber zwischen den Menschen, die an mir vorbei liefen, nichts Ungewöhnliches entdecken.
Kurz entschlossen ging ich zurück zu meinem Platz am Tresen. Sofort kam der Barmann mit einem breiten Lächeln, einem neuen Glas und einer Schale Erdnüsse auf mich zu. Dankend nahm ich meinen Drink entgegen und ließ die Nüsse unbeachtet links liegen.
„Bist du allein hier?“ Die leise, raue Stimme, die wie aus dem Nichts hinter mir erklang, sorgte für einen elektrisierenden Schauer, der über meine Haut raste, während mein Gehirn den bekannten Tonfall einordnete. Langsam drehte ich den Kopf nach links, während die Umrisse einer Person in meinem Augenwinkel erschienen.
Da stand sie, wie aus dem Nichts – Valentina.
Sie sah müde aus, ausgezehrt; unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Ihr Blick wirkte fast scheu, als sie mich prüfend musterte und zögerlich neben mir auf den Hocker kletterte. „Val – oh Gott, bin ich froh dich zu sehen!“, flüsterte ich aufrichtig. „Wie hast du mich gefunden?!“
„GPS Ortung – dein Handy hat dich verraten.“ Ein fast entschuldigendes Lächeln huschte über ihre bleichen Lippen. „Wie kommt´s, dass du hier bist? Ich meine, woher wusstest du, wo du mich findest?!“ Fahrig strich sie sich eine spröde Haarsträhne aus der Stirn. „Na wegen dir – und Max natürlich! Olivia wusste, dass ich dich hier finden könnte.“ Ich senkte meine Stimme und lehnte mich in ihre Richtung. „Gibt es was Neues von Max? Hast du ihn gefunden?“
Sie presste die Lippen zusammen und schien einen Moment zu überlegen. Als sie zu sprechen begann, wählte sie ihre Worte mit Bedacht. „Ich weiß zumindest, wo er sich aufhält, aber …“ Ihre Stimme brach ab. Ich sah, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten und sie dadurch noch glasiger wirkten. „Aber was?“, fragte ich behutsam. Ich wollte ihr das Gefühl geben, dass sie mir wirklich vertrauen konnte. „Aber … das ist momentan nicht mein eigentliches Problem.“ Es war mehr als offensichtlich, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Doch ich wollte nicht vorpreschen, sondern wartete geduldig ab, bis sie sich dazu durchrang, mir davon zu erzählen.
„Weißt du“, begann sie gerade, als uns der Kellner unterbrach. „Was darf ich Ihnen bringen?“ Er schien sichtlich irritiert, über Valentinas heruntergekommene Erscheinung, doch ich nickte ihm unmerklich zu. „Äh … das … Selbe wie sie.“ Sie deutete auf mein Glas und richtete ihren Blick wieder auf mich. „Also, bei der Suche nach Max bin ich … an die falschen Leute geraten und – na ja, obwohl ich jetzt zwar weiß, wo ich ihn finde, habe ich ziemlichen Ärger am Hals.“ Sie schluckte und nagte an ihrer Unterlippe. Ich konnte kaum glauben, was sie mir da erzählte. „Wie? An die falschen Leute?“, bohrte ich nach, doch Val schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht darüber reden“, erwiderte sie flüsternd und sah sich kurz nach allen Seiten um, ehe sich ihr Gesicht meinem näherte. „Nicht hier“, wisperte sie und ich sog scharf Luft ein. Was war nur geschehen, dass sie in derartige Probleme geraten war.
„Ich muss gestehen, eigentlich bin ich ziemlich erleichtert, dass du hier bist.“ Sie zupfte unbeholfen an ihrem erdverkrusteten Ärmel und sah dann wieder zu mir auf. „Tamara – ich brauche deine Hilfe!“ Und der Ausdruck ihrer Augen verriet mir, dass sie bis zum Hals in Schwierigkeiten steckte. Ich nickte und ergriff ihre kalte Hand. „Natürlich werde ich dir helfen.“
„Wohin fahren wir“ Ich wandte den Kopf und mein Blick fiel auf Val, die mit verkrampften Fingern das Lenkrad ihres Leihwagens umklammerte. Ich sah, wie ihr Kiefer zuckte, doch sie wich mir aus. „Wir sind bald da“, war alles, was sie sich abrang. Als ich mit ihr vor einer halben Stunde die Hotelbar verlassen hatte, informierte ich Michael per SMS kurz über die Ereignisse. Ich wies ihn aber an, sich im Hintergrund zu halten und hoffte, dass er uns nicht folgen würde. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass Val misstrauisch wurde.
Die Fahrt verlief schweigend und ich fragte mich, warum sie nicht mit der Sprache herausrücken wollte. Genauso wenig gab sie preis, wohin sie mit mir fuhr. „Valentina – wenn ich dir helfen soll, musst du mit mir reden“, beschwor ich sie eindringlich. Ich konnte beobachten, wie sie ihre Finger noch fester um das Lenkrad schlang und die Knöchel weiß unter der Haut hervortraten.
„Du wirst es gleich
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