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Ruf der Dunkelheit

Ruf der Dunkelheit

Titel: Ruf der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Rauch
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toten Gefährtin zu verlassen, stemmte ich mich qualvoll nach oben, taumelte kurz, schleppte mich jedoch Schritt für Schritt vorwärts. Valentina redete wild gestikulierend auf Daria ein, die neben Michael stand und hilflos dreinblickte. „Wir müssen ihm doch irgendwie helfen!“, rief Valentina verzweifelt aus. „Blut – er braucht Blut!“
    Kraftlos fiel ich neben ihr auf die Knie und betrachtete Max´ Gesicht einen Moment lang. Ich hörte ein leises, unregelmäßiges Klopfen, das aus seiner Brust drang. Vielleicht hatte er noch genügend Kraft, um von meinem Blut zu trinken. Immerhin hatte Tamaras Blut es geschafft, mich zu heilen und selbst wenn meines nicht über dieselbe Kraft verfügen würde, war es zumindest einen Versuch wert. Sie hätte es mit Sicherheit gewollt, dass ich es versuche. 
    Wortlos schob ich meinen Ärmel beiseite und erntete von den Umstehenden dafür irritierte Blicke. Doch ich ließ mich nicht beirren und fuhr damit fort, meinen Unterarm frei zu legen. Langsam schien Valentina zu begreifen und tat es mir nach. Vielleicht verfügte das Blut von uns beiden über genügend Heilkraft, um Max zu retten. Meine Zähne drangen gehorsam durch mein Zahnfleisch und mit einem kurzen Biss fügte ich mir eine tiefe Wunde am Handgelenk zu. Sofort quoll das Blut eifrig an die Oberfläche und rann an meinem Unterarm hinab. Mit der anderen Hand hob ich vorsichtig Max´ Kopf an, überstreckte ihn in den Nacken, sodass es leichter seine Kehle hinunter rinnen konnte. Ich öffnete seinen Mund und presste sofort meinen Puls an seine Lippen.
    Nachdem mein Blut versiegt war, löste Valentina mich ab. Sein Kopf lag auf ihrem Schoß und mit der freien Hand strich sie ihm wieder und wieder über das Gesicht. Doch noch zeigte er keine Regung. Wir saßen alle um ihn herum und warteten, während Valentina die ganze Zeit über leise mit ihm sprach. Hin und wieder tropfte eine einzelne Träne von ihrem Kinn auf seine Wange. Doch Max´ Körper blieb regungslos, nicht ein einziger Muskel zuckte und Valentina sah hilfesuchend zu mir auf. „Es klappt nicht!“, flüsternd kamen ihr die Worte über die Lippen und erneut füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    Mein Blick glitt für eine Sekunde zu der Stelle zurück, an der Tamara gestorben war und im nächsten Moment wurde ich von meiner Trauer und der Wut über meinen Verlust und unsere Hilflosigkeit überwältig. Ich sprang auf, stieß Val unsanft zur Seite und riss Max´ Oberkörper nach oben. „Verdammt Max!“ Ich schüttelte ihn brutal, schrie ihm direkt in sein lebloses Gesicht. „Du kommst jetzt sofort zurück – hörst du!“ Zusammen mit ihm sank ich zu Boden, hämmerte auf seinen Brustkorb ein, weinte, schrie und schluchzte. „Ich … ich weiß nicht, wie ich ohne dich über sie hinweg kommen soll! Verdammt du bist mein Freund! Der einzige, der nach so vielen Jahrzehnten noch übrig ist – du kannst mich nicht allein lassen! Ich weiß, dass ich an allem Schuld bin … aber glaub mir, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich alles anders machen!“ Ich stieß schwer meinen Atem aus, während ich halb über meinem Weggefährten hing, mit dem mich einst eine tiefe Freundschaft verbunden hatte, von der ich mir damals sicher war, dass es nie etwas geben könnte, das diese Verbindung entzweit.
    Unter mir ertönte ein angestrengtes Röcheln. „Du Penner, nimmst mir die Luft zum Atmen!“ Es war nur ein raues, wisperndes Flüstern, das die bleichen, ausgedörrten Lippen verließ, doch es war das Schönste, das ich seit langem vernommen hatte. Eine elektrisierende Welle der Erleichterung raste durch meine Nervenfasern. Ruckartig richtete ich mich auf, sah in die glänzenden, grünen Augen, die mich mit einer solch aufrichtigen Wärme betrachteten, dass ich für einen Moment lang die schmerzvoll nagende Trauer vergaß.
    „Max! Oh mein Gott! Oh Gott!“ Valentina stürzte auf uns zu, drängte mich zur Seite und brach über ihrem geliebten Gefährten zusammen. Immer wieder flüsterte sie seinen Namen, während sie zur selben Zeit weinte, lachte und schluchzte. Ich sah einen Moment lang auf und betrachtete Michael und Daria, die die ganze Zeit über stumm, mit besorgter Miene und ineinander verschlungenen Händen neben uns gekauert hatten. Man konnte ihnen die Anteilnahme und Erleichterung in den Augen ablesen und bei Daria zeichnete sich sogar eine verräterische, feuchte Spur an der Wange ab. 
    Valentina half Max dabei, sich aufzurichten. Noch immer

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