Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
sollen, wir wären von einer Art? Warum hätte sie mir diese Ahnentafel hier hinterlegen sollen?“
Schweigend ließ Hugues sich das alles durch den Kopf gehen. „Sie wollte dich wissen lassen, dass du kein uneheliches Kind der Walpurgisnacht bist“, bemerkte er schließlich, während Sophie begeistert nickte. „Ein wahres Geschenk von der Mutter an die Tochter.“
„Und welch wunderbares Andenken sie mir da hinterlassen hat“, schwärmte sie.
In Hugues’ Augen lag immer noch ein grüblerischer Ausdruck. „Ist dir überhaupt voll bewusst, was sie dir hiermit vermacht hat?“
„Das Wissen über meine Abstammung“, antwortete sie zögernd.
Hugues nickte lächelnd. „Nichts anderes als den Beweis einer adeligen Herkunft“, betonte er und klopfte mit dem Fingerknöchel auf das Pergament. „Du bist aus aristokratischem Haus, meine Sophie“, fügte er leise hinzu, als sie nicht antwortete, weil ihr vor Staunen der Mund offen stehen blieb. Diese Abstammung, das merkte sie nun, gab ihr auch offiziell das Recht, Hugues zum Mann zu nehmen. Angesichts der Aussichten, die aus diesen Zeilen sprachen, raste ihr schier das Herz.
„Aber …“, wandte sie ein, schon fast aus Gewohnheit.
Hugues winkte ab. „Ab jetzt sind deine Einwände null und nichtig“, flüsterte er energisch. „Denn du weißt ganz genau, dass ich auf die kleinlichen Verdächtigungen anderer nichts gebe.“
„Dann übernimmst du Pontesse also doch?“ Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
„Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr gelange ich zu der Erkenntnis, dass es wohl mein Schicksal ist“, bestätigte er lächelnd. „So wie du auch, nehme ich an. Komm mit mir nach Hause, Sophie, denn ich brauche dich an meiner Seite.“
Das Stocken in seiner Stimme verriet, dass er sich ihrer Antwort nicht so sicher war, wie er es sich wohl gewünscht hätte. Die Erkenntnis schnitt ihr so ins Herz, dass sie sofort die Hände ausstreckte und sein Gesicht umfasste.
„Nun“, sagte sie mit gespieltem Widerwillen, „wenn das dein bestes Angebot ist, so muss ich euch wohl beide nehmen.“
„Ein besseres bekommst du vermutlich heute nicht mehr“, knurrte er so besitzergreifend, dass ihr Herz zu singen begann. Dann hob er sie auf die Arme und schmiegte das Gesicht in ihre Halsbeuge.
Jegliche Antwort, welche Sophie noch hätte geben können, verstummte unter seiner Berührung. Darauf ein ganzes Leben lang hoffen zu dürfen war fast des Guten zu viel. Auf einmal begriff Sophie, dass sie mit der unterstützenden Kraft seiner Liebe und seiner Treue jedwede dumme Anschuldigung würde ertragen können. Und während er sie innig und voller Liebe küsste, verstärkte sie ihren Griff um das Sternenbuch und erkannte eines in diesem Moment: Mit dem Hinterlassen dieser Gabe hatte ihr Melusine signalisieren wollen, dass sie mit Sophies Wahl ihres Liebsten einverstanden war.
„Jetzt scheint mir aber ein Lied durchaus in Ordnung“, bemerkte Hugues, als er einige Augenblicke später auf Sophie heruntersah.
Von diesem Vorschlag war sie dermaßen überrascht, dass sie in lautes Lachen ausbrach. „Ich habe aber kein Ale gesehen“, scherzte sie.
Hugues lächelte schelmisch. „Ich brauche doch kein Bier, um meiner Herzensdame ein Ständchen zu bringen.“ Beim warmen Glanz seiner Augen röteten sich Sophies Wangen. Lächelnd liebkoste er ihr Kinn. „Bezweifelst du etwa noch immer, dass ich dich als meine Braut küre?“
„Nein, ganz gewiss nicht. Dazu seid ihr von Pontesse eine viel zu sture Bande!“
Hugues musste ebenfalls lachen. „Das kann man wohl sagen“, unterstrich er. „Und jetzt komm, Sophie. Es heißt doch, für das Sakrament der Ehe bedürfe man nicht unbedingt eines Priesters. Vielleicht geht es ohne auch besser.“
Stumm schaute sie zu, wie Hugues seine Finger mit den ihren verflocht und so mit ihr hinaus aus dem Steinkreis trat. Vom Meer her brauste Wind auf, ließ Haare und Mäntel flattern und wehte den Salzgeruch sowie einen Rest von Nebelfetzen vom Wasser herüber. Hoch stand der Mond am indigoblauen Himmel.
Ohne den Blick von Sophie zu lösen, steckte sich Hugues behutsam das Buch unter den Waffenrock und stellte sich dann so hin, dass sie sich mit verschränkten Händen gegenüberstanden. Das Kinn leicht gereckt, schaute Sophie ihm in die Augen, als er mit fester Stimme zu sprechen begann und ihr die ersten Tränen über die Wangen rannen.
„Ich, Hugues de Pontesse, nehme dich, Sophie, genannt Mauclerc, leibliche Tochter
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