Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
man sie mit ihm sah. Das Pferd tänzelte bereits unruhig zur Seite, aber Sophie wich keinen Schritt zurück und hielt hartnäckig die Zügel fest. Hugues bedachte sein offenbar unerfahrenes Reittier leise mit einer derben Verwünschung.
„Ich habe dir doch bereits Lebewohl gesagt“, brachte er äußerlich ruhig und gefasst heraus, wenngleich in ihm ein Gefühlswirrwarr tobte. Sophie funkelte ihn jedoch wutentbrannt an, und in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er nicht kampflos davonkommen würde.
„Ach, so einfach ist das für dich?“, fauchte sie empört, beinahe schon Gift und Galle versprühend.
„Nun, wenn jemand die Sache schwierig gestaltet, dann allein du“, log Hugues. Dabei war er überzeugt, dass sie ihn völlig durchschaute; ja, fast wäre ihm das sogar lieb gewesen. Plötzlich wandte Sophie sich brüsk ab, als könne sie seinen Anblick nicht länger ertragen. Da siehst du’s!, sagte er sich beschwichtigend, als die Gewissensbisse ihn durchzuckten. So viel liegt ihr doch gar nicht an dir!
„Ist dir denn dein Versprechen so wenig wert?“, fragte sie leise.
Hugues holte scharf Luft. Darauf wollte sie also hinaus! Sie wünschte sich seinen Schutz, sonst nichts. Aber ohne seine Begleitung war sie besser dran, das wusste er. Allerdings traf es ihn tief, dass sie ihm vorwarf, sein Ehrenwort sei keinen Pfifferling wert. Und deshalb fiel seine Antwort erheblich schärfer aus als beabsichtigt.
„Die Frage war doch nur, was für uns beide am günstigsten ist“, gab er zurück. Wäre das Licht besser gewesen – er hätte womöglich gesehen, wie Sophie bei seinen Worten erblasste.
„Und ich dachte immer, das zwischen uns sei mehr als nur eine Frage der Annehmlichkeit“, zischte sie bitter.
In ihrer Bemerkung lag so viel Wahrheit, dass Hugues sich wie ein feiger Schuft fühlte. Ja, so gestand er sich, zwischen uns ist viel mehr. Und allein schon deswegen war er ihr mehr als nur verpflichtet. Tatsächlich schuldete er ihr eine Erklärung. Sein Plan stand hier gar nicht zur Debatte. Es ging vielmehr darum, dass er ihn ausgeführt hatte, ohne Sophie vorher zu konsultieren.
„Du müsstest doch mittlerweile wissen, dass ich dich niemals in Gefahr bringen würde“, begann er mit leiser Stimme.
Davon wollte Sophie nichts hören. Hell blitzten ihre Augen im Halbdunkel des Pferdestalls, und da begriff Hugues, dass sie viel zu aufgebracht war, als dass er vernünftig mit ihr hätte reden können.
„Verschon mich mit deinen Schmeicheleien!“, schnaubte sie. „Du verdrehst doch sowieso alles, nur damit du immer das letzte Wort behältst!“
Hugues schwoll gewaltig der Kamm, denn wie er es sah, hatte er auf keinen Fall das letzte Wort. „Ich?“, fragte er scharf. „Gegen dich kommt doch keiner an, meine Teuerste! Das kannst du mir ruhig glauben. Du bist doch erst dann zufrieden, wenn alles nach deiner Pfeife tanzt!“
„Was faselst du da für Unfug?“
„Ja, glaubst du denn, ich würde nicht merken, wie du angewidert vor meiner Berührung zurückschreckst?“, flüsterte Hugues und beugte sich vom Pferderücken herunter, um ihr näher zu sein. Auch wenn ihm der konsternierte Ausdruck auf Sophies Gesicht auffiel, hatte sein Ärger bereits so die Überhand gewonnen, dass er sich nicht mehr beherrschen konnte.
„Aber ich …“, stammelte Sophie.
Hugues fuhr ihr barsch in die Parade. „Jetzt kannst du dir ebenfalls deine Schmeicheleien sparen!“, grollte er. „Verschone mich auch mit deinen Narrengeschichten von Schicksal und mit deinem betörenden Augenaufschlag. Und mit deinem Hinterteil brauchst du auch nicht so verlockend zu schwingen. Du weißt nämlich ganz genau, dass ich dich in den vergangenen Tagen Dutzende Male hätte haben können, hättest du mich nicht ständig abgewiesen wie eine Zimperliese. Mein Eindruck von dir war anders, Sophie, warst du doch anfangs Frau genug, mir offen zu sagen, was du begehrst. In Wirklichkeit aber bist du wie alle die anderen Schönen, denen ich begegnet bin. Sie versprechen alles, ohne es zu halten oder es überhaupt zu wollen.“
Er richtete sich wieder auf und holte scharf Luft, offenbar etwas verwundert darüber, dass Sophie dastand wie vom Donner gerührt. Dann setzte er noch brüsk nach: „Es liegt allein an meiner absonderlichen Hochachtung vor dir, dass ich dich jetzt verlassen muss. Zugegeben, das logische Denken zählt augenscheinlich nicht zu deinen starken Seiten. Wenn du dir aber die Mühe machtest, darüber nachzudenken, dann
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