Ruf der Sehnsucht - Historical Special Bd 33
herauszuhören. Er war wütend auf sie, weil sie ihn verließ – nicht mehr, nicht weniger. Möglicherweise war es das Beste, ihm diesen Sachverhalt aufs Deutlichste klarzumachen.
„Von dir, Hugues, träume ich nicht mehr. Aber das Zeichen darf ich nicht einfach leugnen“, unterstrich sie leise und sah, wie sein Blick sich vor Enttäuschung umwölkte. Abrupt wandte er sich von ihr ab, den Rücken trotzig gestrafft. Es tat ihr in der Seele weh, dass sie ihn derart kränkte, doch sie wusste nicht, wie sie seinen Schmerz hätte lindern sollen. Denn sie hatte seinen Stolz verletzt – und das war nicht so leicht wiedergutzumachen.
„Dann verlässt du uns also tatsächlich?“, fragte Hugues heiser, als würde er immer noch nicht recht begreifen, was sie vorhatte. Sophie nickte nur, denn es fehlten ihr die Worte, um ihn zu trösten. Sie ließ es auch gar nicht erst auf einen Versuch ankommen, damit er nicht sah, wie sehr auch sie sich quälte.
„Aber vergangene Nacht …“ Erneut setzte Hugues an, doch dann versagte ihm die Stimme. Mutlos winkte er ab und drehte sich zu Sophie um. Als sie den gequälten Blick in seinen Augen sah, stand sie kurz davor, ihren Entschluss wieder rückgängig zu machen. Den Tränen nahe, verwünschte sie jene Schicksalsmächte, welche ihr diese Entscheidung aufzwangen, und betastete, nach Worten ringend, Hugues’ Waffenrock.
„Es war die zauberhafteste Nacht meines Lebens“, flüsterte sie stockend.
Verständnislos sah er sie an. „Dann bleib doch!“
Abwehrend schüttelte Sophie den Kopf. „Wenn ich es könnte, würde ich’s tun“, erwiderte sie eindringlich, die Augen bereits tränenumflort. „Das weißt du doch.“ Dann reckte sie sich auf Zehenspitzen und küsste ihn ein letztes Mal auf sein kantiges Kinn. „Adieu, Hugues“, wisperte sie und wandte sich ab. Blindlings streifte sie sich die Kleider über, während sie heftig mit den Tränen kämpfte. Die ganze Zeit stand Hugues stumm hinter ihr, wie ihr quälend bewusst war.
„Würde es denn etwas ändern“, fragte er leise, als sie mit Ankleiden fertig war, „wenn du wüsstest, dass ich eigentlich heute Morgen um deine Hand anhalten wollte?“
Sophie wirbelte herum und sah in Hugues’ schimmernden Augen, dass er die Wahrheit sprach. In schlichten Worten wurde ihr die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches angetragen, und als sie begriff, dass sie ihn sich versagen musste, brach sie in Tränen aus.
„Ich darf doch nicht“, wisperte sie und sah, dass er das Gesicht abwandte, auf dem deutlich zu lesen war, welchen Schlag sie ihm damit versetzte.
Sophie kehrte ihm den Rücken zu und schaute kummervoll hinüber zu der Frau, die nach wie vor bis zu den Hüften in dem Becken unterhalb des Wasserfalls stand. Wie ein Peitschenknall riss der Anblick sie aus ihrem Jammer und zwang sie unerbittlich, ihren Eingebungen zu folgen. Außerstande, noch einen Blick zurück zu wagen, straffte sie ihre Schultern und folgte dem Ufer, fort von Hugues, fort von der Liebe, derer sie sich so sicher gewesen war, fort von der Zuneigung, die er ihr bot, fort von jener Innigkeit, auf die sie nun keinen Anspruch mehr erheben durfte.
Ein letztes Mal rief er inständig ihren Namen, doch sie durfte sich nicht mehr umdrehen, denn sonst wäre sie womöglich noch wankelmütig geworden. Sie musste dies tun, dies ganz allein, und wenn sie die Schicksalsmächte noch so sehr für ihren Verrat verfluchte. Das Herz tat ihr weh; und während sie weiterging, verschwamm ihr der Boden vor den Augen, sodass sie auf dem Weg in ihr Schicksal mehr als nur einmal ins Stolpern geriet.
„Wenn Ihr am Morgen dem Fuß der Klippen folgt, werdet Ihr bis Sonnenuntergang den Wald hinter Euch haben“, sagte die Fremde im Wasser nun zu Hugues, die Stimme so silberhell wie der Mondenschein. „Am Waldrand stoßt Ihr auf eine Straße, die geradewegs zur Burg Pontesse führt. Dort braucht man Euch in diesen so schweren Zeiten, Chevalier Hugues, und deshalb bitte ich Euch, dass Ihr Euch sputet, damit Ihr nicht zu spät eintrefft.“
Ihre Worte verhallten in der nächtlichen Luft, und während Sophie sich vorsichtig am Ufer entlangtastete, wurde ihr erst richtig bewusst, dass Hugues schon bald nicht mehr an ihrer Seite sein würde. Hatte sie sich denn wirklich richtig verhalten? Sie hob den Blick zu dem weiblichen Wesen, das nun angekleidet am Rand des Beckens geduldig auf sie wartete, und Sophie schien, als nicke die Frau ihr aufmunternd zu.
„Lange schon warte ich
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