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Ruf der Sehnsucht

Ruf der Sehnsucht

Titel: Ruf der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Ranney
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Holz nach, holte für Jeanne einen Hocker, damit sie die Beine hochlegen konnte, und brachte ihr immer wieder ein frisches Glas Fruchtlikör. Sie trank jedes Mal etwas davon, weil sie hoffte, auf diese Weise ihre Angst betäuben zu können, doch dazu hätte sie wahrscheinlich zwei Flaschen trinken müssen.
    Ab und zu stand Douglas auf und ging eine Weile hin und her, blieb zwischendurch bei ihr stehen und tätschelte ihre Schulter oder strich mit dem Handrücken über ihre Wange. Dann fing sie seine Hand ein, drückte ihre Lippen darauf und fragte sich, ob er wohl wusste, wie sehr sie ihn liebte.
    Irgendwann stand Jeanne auf und ging zum Kamin, streckte ihre eiskalten Hände in die Richtung der Flammen, die plötzlich aufloderten, zu goldener, orangeroter und blauer Pracht verschmolzen.
    »Erzähl mir, was geschah«, bat er, und sie wusste, was er meinte. Nicht ihre heutige Entführung, sondern eine ältere Geschichte, die von einem verwöhnten, arglosen, jungen Mädchen.
    »Ich hätte nie für möglich gehalten, dass mein Vater sie mir wegnehmen würde«, begann sie stockend zu erzählen. »Ich dachte, er würde mich mit ihr irgendwohin gehen lassen, wo niemand den Namen du Marchand kannte.« Sie lachte freudlos. »Ich schlug England oder Amerika vor, und er tat, als wäre er einverstanden. Aber nach Margarets Geburt war plötzlich alles anders. Er wies Justine an, mir das Kind wegzunehmen, und ließ mich ins Kloster bringen.« Sie schaute zu Douglas hinüber. Er starrte ins Feuer. »Als das Kloster geräumt war und ich es verlassen konnte, führte mein erster Weg mich nach Vallans, denn ich dachte, dass ich dort am ehesten erfahren könnte, wohin meine Tochter gebracht worden war. Ich traf Justine, und sie erklärte mir, wohin sie Margaret damals gebracht hatte. Von dem alten Ehepaar lebte nur noch die Frau, die mir erklärte, dass meine Tochter als Säugling gestorben sei, und mich dann zu dem Grab führte.«
    Jeanne sah sich im Geist wieder an jenem nebligen Tag in den Wald hineingehen. Es roch nach feuchtem Holz und faulenden Blättern. »Als ich dort kniete, wusste ich, dass ich versagt hatte. Ich war schuld am Tod meines Kindes.« Der Boden war schwammig und kalt gewesen, aber sie war nicht aufgestanden, hatte bitterlich geweint, bis irgendwann keine Tränen mehr kamen.
    »Ich hätte sie beschützen müssen.«
    »Du warst erst siebzehn Jahre alt«, sagte Douglas.
    »Ja, ich war erst siebzehn, aber trotzdem …«
    »Du hattest keine Chance gegen ihn, Jeanne.«
    Sie drehte sich zu Douglas um und lächelte ihn an, dankbar, dass er versuchte, ihre Selbstvorwürfe zu mindern, sie von Schuld freizusprechen. »Ich wollte nicht sehen, was er für ein Mensch war. Ich habe meine Augen vor der Wirklichkeit verschlossen.« Das war ihre größte Sünde gewesen. Darum wäre Margaret beinahe gestorben.
    »Aber sie ist am Leben.«
    »Ja.« Jeanne streckte ihm ihre Hände hin. Er stand auf, kam zu ihr und nahm sie in die Arme. »Du hast sie gerettet. Und mich.«
Lieber Gott, lass uns Margaret finden. Lass sie wohlauf sein.
    »An dem Tag damals an dem Grab«, fuhr Jeanne mit ihrer Geschichte fort, »wollte ich auch sterben. Es gab nichts mehr, wofür es sich lohnte weiterzuleben.«
    Er drückte sie an sich.
    »Ich wollte nicht mehr leben, aber ich tat es. Und irgendwann gelangte ich nach Schottland.« Und die ganze Zeit hatte sie ein Vermögen um den Hals getragen. Den Rubin zu verkaufen hätte ihr eine wesentlich angenehmere Reise ermöglicht. »Ich hatte oft nichts zu essen, aber das machte mir nichts aus. Ich existierte zwar, aber ich lebte nicht. Bis ich dich wiedersah. In dem Moment wurde alles anders.« Sie lehnte sich in seiner Umarmung zurück und streichelte seine Wange.
    »Ich dachte die ganzen Jahre, dass du Margaret nicht wolltest – und mich auch nicht«, sagte er.
    »Und ich dachte, du hättest mich im Stich gelassen, weil ich ein Kind von dir erwartete.« Sie lächelte schwach. »Wir haben einander die schrecklichsten Dinge zugetraut und trotzdem nie aufgehört, einander zu lieben.«
    Douglas zog sie wieder an sich. »Verzeih mir«, flüsterte er, und es klang, als käme es aus tiefster Seele. »Verzeih mir.«
    »Verzeih du mir.«
    Sie könnten glücklich miteinander werden, aber nur, wenn Margaret gefunden würde.
Wohlbehalten,
setzte Jeanne in einem stillen, inbrünstigen Stoßgebet hinzu.
    Gegen Morgen fiel sie in ihrem Sessel in einen unruhigen Schlaf. Irgendwann wurde sie davon geweckt, dass Douglas eine

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