Ruf Der Tiefe
hier?«
»Kannst du an Bord kommen? Dann erkläre ich dir alles!«, rief Carima und warf eine Strickleiter über die Bordwand. Erst flogen ihr Billies Flossen entgegen, dann turnte die junge Taucherin an Bord, zog sich die Maske vom Kopf und strich sich das triefend nasse Haar aus der Stirn. »Wir trainieren gerade ein paar neue Kommandos«, erklärte sie und deutete mit dem Daumen aufs Meer hinaus. »Da vorne ist mein Begleitboot. Julian ist auch dabei, aber er pennt noch. Tom ist auf der Thetys , er soll in den nächsten Tagen ein junges Krakenmännchen als Partner bekommen und ist schon ganz aufgeregt.«
Carima war so erleichtert, dass sie im ersten Moment nur stammeln konnte. »Mann, was für ein Zufall … aber eigentlich ist es doch keiner, Julian hat ja erzählt, dass du in dieser Gegend trainierst … vielleicht schaffen wir es zusammen, Leon zu helfen … dein Wal kann doch Dinge suchen, oder?«
Aber nach einem Blick auf Billies verwirrten Gesichtsausdruck wurde ihr klar, dass die junge Taucherin nichts von alldem mitgekriegt hatte, was in letzter Zeit geschehen war. »Äh, Moment mal, langsam!«, sagte Billie. »Wir meinen denselben Menschen, oder? Leon Redway? Aber woher weißt du überhaupt etwas über ihn?«
Geduld. Sie musste sich zur Geduld zwingen, es brachte gar nichts, wenn sie Billie jetzt verwirrte! »Weil er mich angerufen hat«, sagte Carima und spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde.
»Hat er? Nach seiner Flucht? He, ist da was zwischen euch?« Jetzt glänzten Billies Augen vor Neugier.
»Ziemlich private Frage …«, versuchte Carima schwach abzuwehren und gestand schließlich: »Ja, könnte man so sagen.«
»Glückwunsch«, sagte Billie, jetzt lächelte sie breit. »Ich gönn’s euch. Und Leon ist ein echter Hauptgewinn. Okay, jetzt erzähl. Was für eine Art von Hilfe braucht er?«
Als Carima berichtete, wie Leon gefangen genommen worden war, wurde Billies Miene ernst. Ohne Carima ein einziges Mal zu unterbrechen, lauschte sie. »Das klingt übel«, meinte sie schließlich. »Auf der Thetys ist er nicht, das weiß ich, weil wir gestern Abend noch dort waren. Der Heli hat nur ganz kurz aufgesetzt, um jemanden an Bord zu nehmen, dann ist er wieder abgedüst. Mann, wenn ich gewusst hätte, dass Leon da drin sitzt!«
»Aber wohin ist er weitergeflogen?«, stöhnte Carima und ließ sich langsam aufs Deck der Lovely Lucy sinken. Billie setzte sich neben sie, und gemeinsam betrachteten sie den Sonnenaufgang, der die Wellen in geschmolzenes Kupfer verwandelte.
»Vielleicht aufs Festland«, sagte Billie unsicher. »Aber kann sein, dass ihnen das zu heiß ist. An Land kriegen zu viele Leute mit, was abgeht.«
»Haben sie ihn vielleicht in irgendeine Unterwasserstation gebracht? Benthos II?«
Billie schüttelte den Kopf. »Benthos II ist immer noch stillgelegt, und es dauert einen Tag, alle Lebenserhaltungssysteme wieder hochzufahren. Nein, dorthin nicht – aber vielleicht an einen anderen Ort unter Wasser. Shola hat vor ein paar Tagen etwas entdeckt …«
»Was denn? Eine weitere Station?«
»So was Ähnliches«, sagte Billie nachdenklich. »Sie konnte es mir nicht genau beschreiben, aber es könnte so eine Art Driftstation sein, die zu Forschungszwecken halb oder ganz untergetaucht in den Meeresströmungen mittreibt. Anscheinend weiß niemand – oder kaum jemand – davon. Das wäre ein gutes Versteck für einen Gefangenen.«
»Eine Driftstation!« Carima versuchte sie sich vorzustellen, aber es klappte nicht besonders gut. »Wenn er dort tatsächlich ist … wie kommen wir da rein? Und vor allem, wie kriegen wir die ARAC dazu, Leon freizulassen?«
Billie zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Tut mir leid. Julian, Tom und ich, wir könnten natürlich mit Streik drohen, aber ob das was nützt?«
Drohen … das brachte Carima auf eine Idee. Doch zuerst erzählte sie Billie alles, was sie von Leon über die geheimen Projekte der ARAC wusste. Die Stammzellen. HotPower. Als Carima fertig war, schüttelte Billie fassungslos den Kopf. »Das habe ich nicht geahnt … das hat keiner von uns geahnt … oh Mann!«
Carima überließ sie ihren Gedanken, stieg in die Kajüte der Lovely Lucy herab und begann die winzige Küche und das ganze Gerümpel in der Kabine zu durchsuchen. Hope, der auf einer Art Sofa lag, schlief noch immer tief und fest, doch das unförmige Bündel auf der anderen Koje rührte sich. Jonah Simmonds hob den Kopf und blinzelte verschlafen. »Was machst du da?«
»Darf ich
Weitere Kostenlose Bücher