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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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vollen Teller in die Hand, und irgendwie landete sie an einem Tisch mit Patrick, Paula und zwei anderen Leuten, die sie nicht kannte. Julian fand keinen Platz mehr bei ihr und zog ärgerlich wieder ab.
    »Stell dir vor, ich habe es geschafft, die Sauna zu reparieren«, erzählte Paula und kaute mit offenem Mund auf einem Stück Brot herum. »Und prompt hat der blöde Kiwi da« – sie warf einen düsteren Blick in Patricks Richtung – »so heftig an den Knöpfen herumgedreht, dass sie wieder den Geist aufgegeben hat.«
    Patrick grinste. »In jedem Dinge muss die Absicht mit der Torheit auf die Waagschale gelegt werden«, erwiderte er würdevoll. »Shakespeare, König Heinrich IV .«
    »Was genau meinst du damit?« Paula verschränkte die Arme. »Dass es nur Blödheit war und keine Absicht, dass du das Ding kaputt gemacht hast?«
    Als Carima sah, wie sich die beiden anschauten, hätte sie wetten können, dass sie hin und wieder miteinander im Bett landeten.
    Doch das interessierte Carima gerade nicht besonders. Nichts interessierte sie, sie wollte nur allein sein. Gab es auf dieser verfluchten Station einen Ort, an dem man für sich sein konnte? Wenn sie sich in ihrer Kabine einschloss, dann kam unter Garantie genau in diesem Moment ihre Mutter und hämmerte gegen die Tür.
    Nach dem Essen trug Carima ihren Teller weg, verteilte ein hohles Lächeln nach rechts und links und fragte sich, wie lange sie noch durchhalten konnte. Jedes Mal wenn sie an Jeremy dachte, dann füllten sich ihre Augen mit Tränen. Ein falscher Blick, ein falsches Wort, und sie würde ganz einfach Rotz und Wasser heulen, hier vor all diesen Leuten, die sie wahrscheinlich für ein oberflächliches Dummchen hielten. Nein, auch ihren Vater anzurufen schaffte sie jetzt gerade nicht, der Ausflug zu Benthos II war seine Idee gewesen, und sicher war es nicht ganz einfach gewesen, das zu organisieren – er verdiente eine fröhliche Hier-ist-es-toll-Botschaft aus der Tiefe. Helfen konnte er ihr sowieso nicht.
    Als Julian und die anderen Jugendlichen gerade in eine andere Richtung blickten und ihre Mutter in der Küche verschwunden war, um Samuel alias Kamuela Gesellschaft zu leisten, schlüpfte Carima aus der Messe und irrte durch die Station. Vorbei an Labors, Kabinen und summenden, nach Maschinenöl und frischer Farbe riechenden Technikräumen. Bloß niemandem begegnen, bloß mit niemandem sprechen müssen. Schon jetzt liefen ihr Tränen über die Wangen, salzig wie Meerwasser auf ihren Lippen. Und dann das Wunder – das Schott zum Lagermodul ließ sich öffnen. Jenseits davon … Stille. Eine bläulich grüne Notlampe erhellte schwach verschiedene Lagerräume, die meisten von ihnen voll mit gestapelten Kisten, Plastiktonnen, metallenen Gasflaschen. Es roch nach Kunststoff und Sperrholz.
    Carima rollte sich hinter zwei Kisten auf einem Stapel Plastikplanen zusammen. Kalt und ungemütlich war es – genau richtig, sie wollte gar nicht, dass es bequem war.
    Und dann ließ sie einfach los.
    Wie unwirklich sich Benthos II auf einmal anfühlte. Leon ging durch die Gänge, durch die Räume, die Labors und sah sie mit den Augen eines Fremden.
    Kaum besser als im Knast , pochte es in ihm und auf einmal erschien ihm die Station unerträglich eng. Am liebsten hätte er um sich geschlagen, wäre zur Hauptschleuse gerannt, zur dunklen Unendlichkeit, nach der er sich sehnte. Er fragte sich, wie lange er das Tauchverbot noch aushalten würde. Warum fanden sie nicht endlich irgendetwas heraus? Wo blieben die Daten der Gleiter? Wann traf die Thetys ein, wann kam Tim?
    Mein Freund, was ist? Vielkalt sind deine Gedanken. Ist etwas nicht gut? Lucys Stimme, ganz klein und verloren.
    Ja, antwortete Leon müde. Mir ist gerade eisig kalt. Manchmal fängt man an, über sein Leben nachzudenken … und dann fühlt man sich, als würde man von einer Strömung davongerissen …
    Leons Schritte stockten. Ein Geräusch. Leise war es, es übertönte kaum das ewige Rauschen der Klimaanlage. Aber es war ein Geräusch, das nicht hierhergehörte. Sofort waren all seine Sinne in Alarmbereitschaft – in dieser Tiefe durfte man keine Kleinigkeit ignorieren, jedes leise Zischeln, jede Luftdruckschwankung konnte bedeuten, dass es dem Ozean gerade an irgendeiner Stelle gelang, in Benthos II einzudringen. Und dann kam es auf jede Sekunde an.
    Doch als er genauer hinhörte, kam er sich dämlich vor. Blödsinn, das war kein Leck in der Hülle, sondern ein leises Schluchzen.
    Billie? Nein,

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