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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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nicht Billie. Er hatte sie eben noch in der Bibliothek gesehen, wo sie dabei war, sich aus der Datenbank der Station einen Fantasy-Schmöker auf ihr Lesegerät zu ziehen. Dann blieb nur eine Möglichkeit – Carima. Anscheinend hatte sie sich im Lagermodul verkrochen. Gut, dass er es rechtzeitig gemerkt hatte, sonst wäre er womöglich auf der Suche nach dem angeblichen Leck dort hineingeplatzt. Beim bloßen Gedanken daran wurde ihm unwohl und ein leises Gefühl von Panik kroch in ihm hoch.
    Was zum Teufel machte man, wenn man ein weinendes Mädchen traf? Ein einziges Mal hatte er Billie heulen sehen, als sie während einer Stationswache eingeschlafen war und Matti Kovaleinen sie zusammengestaucht hatte. Es war entsetzlich peinlich gewesen, sie so aufgelöst zu sehen. Damals hatte er einfach so getan, als merke er nichts, um sie nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen.
    Ja, das war wohl auch jetzt das Beste. Nichts wie weg. Wahrscheinlich war Carima froh, wenn niemand sie ansprach – das war ja der Sinn an der Sache, wenn man sich verkroch.
    Leon ging weiter den Gang entlang. Doch das schlechte Gefühl in seinem Inneren schwand nicht, im Gegenteil, es verstärkte sich. Er war nie ganz sicher gewesen, ob er damals bei Billie das Richtige getan hatte. Julian war es schließlich gewesen, der ihr den Arm um die Schultern gelegt und das Wunder vollbracht hatte, Sam eine heiße Milch mit Honig für sie abzuschwatzen.
    Das ist Freundesein?, flüsterte Lucy in seine Gedanken und das Herz wurde Leon schwer. Ja, das ist es wohl.
    Nicht deine Freundin ist das Mädchen von oben , stellte Lucy fest. Oder?
    Nein. Wir sind uns gestern zum ersten Mal begegnet. Er seufzte. Aber vielleicht ist das die falsche Art, es zu sehen … vielleicht kommt es einfach darauf an, ob sie Hilfe braucht.
    Leon blieb stehen, atmete tief durch und drehte um.
    Im Lagermodul herrschte eine angenehme Dunkelheit, nur erhellt von einigen grünblauen BioLumis-Lampen. Er hörte das Schluchzen jetzt deutlich, weit konnte Carima nicht mehr weg sein. Langsam tastete sich Leon zwischen ein paar Behältern mit Chemikalien zur Herstellung der OxySkins hindurch, kletterte vorsichtig über die Ersatzbatterie eines Tauchboots und sah schließlich auf einem Stapel Planen den Umriss von Carimas Körper. Wirr hingen ihr die Haare in die Stirn, und als sie alarmiert den Kopf hoch- riss, sah er, dass ihr Gesicht nass war, als käme sie gerade erst vom Tauchen.
    »Verschwinde!«, schleuderte sie ihm entgegen und drehte sich weg.
    Leon wusste selbst nicht genau, warum er trotzdem blieb. Jetzt aufzugeben fühlte sich falsch an. Schweigend schüttelte er den Kopf und setzte sich im Schneidersitz auf einen Stapel Membranen für die Meerwasser-Entsalzungsanlage.
    »Bitte. Geh.« Jetzt weinte sie wieder. Es kostete Leon all seine Kraft, es auszuhalten. Schweigend blieb er neben ihr sitzen und wartete. Und schließlich, nach langen Minuten, wischte sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blickte ihn an.
    »Leon? Hast du eigentlich … Geschwister?«
    »Nein.« Leon räusperte sich, der Klang seiner eigenen Stimme kam ihm ungewohnt vor. So ging es ihm oft, wenn er viel in Gedanken mit Lucy gesprochen hatte. »Ich glaube, meine Eltern wollten nur ein Kind. Sie haben viel gearbeitet – mein Vater war Biologe, meine Mutter Tauchmedizinerin. Übrigens haben sie die Technik des Flüssigkeitstauchens mit entwickelt.«
    Verlegen verstummte er; so viel hatte er eigentlich nicht reden wollen. Sie war es doch, die ihm erzählen sollte, was los war. Doch anscheinend beruhigte es sie, wenn er sprach, ihre Stimme klang etwas gefasster. »Sie sind tot, nicht wahr?«
    »Ja. Es war ein Bootsunfall. Ich war neun damals. Tim, ein Freund meiner Eltern, hat mich bei sich aufgenommen. Und du, ich meine, hast du einen Bruder oder eine Schwester?«
    Sie lachte auf, es klang bitter und traurig. »Mein Bruder Jeremy ist drei. Ich kenne ihn kaum. Vorhin wollte ich mit ihm skypen, aber er hat mich nicht mal angeschaut. Und ich saß einfach nur da und fragte mich: Ist er taub? Oder hyperaktiv? Anscheinend habe ich ihn einen Dreck interessiert.«
    »Das muss scheußlich gewesen sein. Ich kenne mich nicht mit Kindern aus, aber ich glaube, wenn sie klein sind, können sie sich noch nicht so gut konzentrieren. Bestimmt lag es nicht an dir.« Leon lehnte sich gegen die Wand, langsam begann er sich zu entspannen.
    »Meinst du?«
    »Na klar. Wenn er älter ist, wird er wahrscheinlich zu dir

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