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Ruf Der Tiefe

Ruf Der Tiefe

Titel: Ruf Der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Brandis , Hans-Peter Ziemek
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»Aber nein, das ist Mattis verdammte Heimsauna. Eigentlich ist das Ding auch prima zum Aufwärmen, hier unten kommt man leicht ins Frieren. Leider ist das Teil meistens kaputt. Miese Qualität. Wenn es nicht ausgerechnet dem Kommandanten gehören würde, hätte ich das Ding schon über Bord geworfen.«
    Carima bekundete ihre Anteilnahme und fragte Paula, ob sie Leon gesehen hätte. Doch die Bordingenieurin schüttelte den Kopf. »Vielleicht im OceanPartner-Modul, da hocken die Jungs und Billie manchmal zusammen an ihren Laptops und lösen irgendwelche Fernlern-Aufgaben. Oder … ach nee, es gibt ja bald Essen. Schau am besten mal in der Messe nach.«
    Doch in der Messe war Leon auch nicht, dort standen nur ein paar Wissenschaftler herum und diskutierten anscheinend über das, was gerade im Meer rund um Hawaii geschah. Einer der Wissenschaftler, ein schmächtiger Kerl, der – bis auf sein schütteres Haar – wie siebzehn aussah, lächelte ihr zu. Das musste der Typ sein, von dem ihr Julian erzählt hatte, der Geologe Urs. Er war nicht sehr beliebt auf der Station, weil er sich oft über die Arbeitsbedingungen und über die jungen Leute beschwerte. »Sie suchen bestimmt Ihre Mutter, oder, Fräulein Carima?«, sagte der Geologe in Deutsch mit lustigem Schweizer Akzent. »Die ist im COM-Raum und spricht mit ihrem Mann.«
    Carima lächelte strahlend zurück. »Wie schön für sie.« Sie fühlte den verdutzten Blick des Geologen auf sich, als sie sich umdrehte und auf den Weg nach draußen machte. Doch dann hörte sie, ganz leise, ein Kind plappern, und einen Moment lang fühlte sich ihr Herz an, als werde es wie die Plastikflasche unter dem Druck der Tiefsee zu einem fingerhutgroßen Klumpen zusammengepresst.
    Das musste Jeremy sein.
    Ihr Bruder Jeremy!
    Sie konnte jetzt mit ihm reden, endlich einmal. Sonst hatte ihre Mutter immer gesagt, es bringe nichts, mit ihm zu telefonieren, er sei noch zu klein. Ob er sie überhaupt erkennen würde? Carimas Füße wollten sich einfach nicht bewegen.
    Sag ihm zumindest mal Hallo . Wie soll er dich denn erkennen, wenn du dich vor so was drückst?
    Langsam begann sie auf den COM-Raum zuzugehen. Die Tür war halb offen und Carima schob sie auf. Dann lehnte sie sich an die Wand der Kabine, in der ihre Mutter gerade saß, und warf einen Blick auf den Bildschirm. Shahid, der widerlich gutmütig und nett aussah, hatte ein Kind mit dunkelblonden Strubbelhaaren auf dem Schoß. Carima war geschockt – war das wirklich Jeremy? Er sah anders aus als auf den Fotos, die sie schon mindestens tausendmal angeschaut hatte. Hätte sie ihn auf dem Spielplatz gesehen, inmitten anderer Kinder, wäre sie an ihm vorbeigegangen.
    »Und was haben die Monster dann gemacht?«, fragte ihre Mutter gerade lachend, doch dann bemerkte sie, dass Carima eingetroffen war, und wandte sich schnell um. »Schau mal, wer da kommt, Jeremy!«
    Jeremys Gesicht und seine Hände waren meistens unscharf, weil er sich so schnell bewegte. Er spielte mit irgendwas, war das ein Gummimonster? Sah eklig aus. Mit einem elektronischen Knurren taumelte es auf den Monitor zu und fiel dann anscheinend auf den Boden. Jeremy hechtete hinterher und verschwand aus dem Bild.
    »Jerry!«, sagte Shahid und seufzte. »Schau doch mal, wer da ist.« Ein kurzes Lächeln in ihre Richtung. »Hallo, Carima. Gefällt’s dir da unten?«
    »Hi«, sagte Carima und zwang sich dazu, zurückzulächeln. »Ja, ist toll hier. Wie geht’s?«
    Doch Shahid hatte gerade beide Hände voll zu tun und keine Zeit für eine Antwort. Jeremy wurde wieder auf den Schoß gehievt und warf einen kurzen, uninteressierten Blick auf Carima, dann packte er das Gummimonster mit beiden Händen und tat so, als wolle es den Monitor auffressen. Die Webcam wackelte kurz.
    »Sagst du Carima Hallo, Schatz?«, sagte ihre Mutter, ihre Stimme klang angestrengt.
    Letzter Versuch , dachte Carima und rief laut: »Hi, Jeremy!«
    Aber Jeremy guckte gerade nach unten. Eine Sekunde später hopste er wieder aus dem Bild. Carima stieß sich von der Wand ab, an der sie gelehnt hatte, und ging einfach davon. Ihre Augen prickelten. Doch sie wollte nicht weinen, nicht jetzt, nein, das ging nicht. Ihre Mutter rief ihr etwas hinterher, es hatte irgendetwas mit ihrem Vater zu tun, doch in Carimas Kopf war nur ein weißes Rauschen, das alle anderen Geräusche verschluckte.
    In der Messe fand sich gerade die Besatzung zum Abendessen zusammen. Bevor Carima flüchten konnte, drückte ihr jemand einen

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