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Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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nächsten Patienten auf seinem vermutlich letzten Weg zu begleiten. Von Bea keine Spur.
    »Wo ist…?«, setzte er an.
    »Wo haben Sie sie…?«, schnappte Bart, der ihm über die Schulter blickte.
    Die Bettdecke war zur Seite geworfen, als sei Bea erwacht, habe sich kurzerhand erhoben und das Zimmer verlassen. Das Bettlaken spannte sich zerwühlt von den hektischen Reanimationsversuchen über die Matratze.
    »Wir haben sie nirgendwo hingebracht«, sagte Schwester Linda, während sie den Alarmknopf drückte. Das Signal schrillte durch die Intensivstation, eine Sirene, die den Weltuntergang ankündigte – so zumindest klang es in Pauls Ohren. Wenige Sekunden später stürmte eine Pflegerin ins Zimmer. Es war Roberta.
    »Holen Sie Doktor Martensen!«, wies Linda an. Roberta nickte und verschwand wortlos.
    »Was ist passiert?«, wollte der Arzt wissen, als er wenig später in den Raum gehetzt kam.
    Linda wies mit einer schwachen Geste auf das leere Bett.
    »Wo ist…«, setzte er an.
    »Sie ist weg«, erklärte Linda.
    »Das sehe ich. Aber wo haben Sie sie hingebracht?«
    »Nirgendwohin.« Linda sah die junge Krankenschwester an, die neben der Tür stand. »Oder, Roberta, haben Sie die Leiche…«
    Roberta schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, niemand hat sie weggebracht.«
    »Rufen Sie die Pathologie an!«, befahl Martensen.
    »Aber ich sagte doch, niemand…«
    »Rufen Sie an!«, herrschte er.
    Schwester Roberta machte kehrt und rannte ins Schwesternzimmer. Der Korridor trug ihre aufgeregte Stimme herüber, ohne dass zu verstehen war, was sie in Erfahrung brachte.
    Paul sah den Arzt an. »Die Pathologie?«
    »Natürlich, die Pathologie. Wenn wir einen Todesfall haben, bei dem die Todesursache ungewiss ist, sind wir verpflichtet, die Leiche der Pathologie zur Untersuchung zu übergeben.«
    »Soll das etwa bedeuten, dass Sie an Bea noch herumschneiden?«
    »Herr Griscom, so möchte ich es nicht unbedingt ausdrücken, aber…«
    Roberta stand im Türrahmen und unterbrach den Arzt: »Nein, wie ich gesagt habe, sie ist nicht in der Pathologie.«
    Martensen und die Schwestern wechselten einen schnellen Blick. »Meine Herren«, sagte der Arzt und schritt zur Tür. »Bitte folgen Sie mir ins…«
    »Nein!«, rief Paul und seine Wangen glühten. »Ich gehe nirgendwohin, bevor Sie mir nicht sagen, was hier los ist!«
    Sein Bruder nickte zustimmend. »Sie wollen doch nicht etwa andeuten, dass die Verlobte meines Bruders verschwunden ist, oder?«
    Dem Arzt trat das Wasser auf die Stirn. Seine Pupillen irrten nervös umher, man sah, wie er fieberhaft überlegte. »Wahrscheinlich hat man Ihre Freundin in ein anderes Zimmer verlegt.«
    »Aber warum sollte man das tun?«, widersprach Bart. »Beatrice ist tot, warum sollte man sie noch einmal verlegen?«
    Martensen kratzte sich den Bart. »Meine Herren, ich kann Ihnen im Augenblick nichts Genaues sagen. Nur so viel: So etwas darf natürlich nicht passieren, es tut mir Leid.«
    »Und wo steckt sie jetzt?«
    »Ich weiß es nicht. Aber wir werden Sie finden«, sagte der Arzt. »Das alles muss ein unangenehmer Irrtum sein.«
    Paul blickte auf das zerraufte Bett. »Aber sicher sind Sie nicht?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nein«, gestand er. »Sicher bin ich mir nicht.«

Berlin
     
     
     
    Philips Schlaf war traumlos, tief und fest. Dennoch erwachte er mitten in der Nacht, weil er glaubte, ein Geräusch gehört zu haben. Das Klirren von Glas, gegen das ein kleiner Gegenstand geschlagen worden war. Aber das konnte in Berlin alles Mögliche sein. Nachtschwärmer unten auf der Straße, die eine Bierflasche zerschlugen. Die Häuser, deren Mauerwerk und Gebälk sich geräuschvoll den Witterungen unterwarfen. Die Stadtautobahn, die nie wirklich Schlaf fand und auch nachts ein unablässiges Raunen über die Dächer schickte.
    Die Kerze auf dem Tisch war erloschen, das Kreuzberger Halbdunkel umschloss das Zimmer. Der Haschgeruch hing noch im Raum, und Philip entsann sich der Leichtigkeit, mit der das Dope ihn und seinen Geist wenige Stunden zuvor umgarnt hatte. Chris lag neben ihm auf dem Rücken und schlief; gleichmäßig hob und senkte sich ihre Brust. Der Radiowecker am Kopfende der Couch zeigte kurz nach vier Uhr.
    Er schlüpfte in seine Shorts, zog sich ein T-Shirt über und ging zur Balkontür. Ein fahles Gesicht starrte ihm von draußen entgegen. Er brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass es sein eigenes Gesicht war, das sich im Fensterglas spiegelte.
    Er schalt sich einen

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