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Ruf der Toten

Ruf der Toten

Titel: Ruf der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Feige
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den Eindruck, dass er es gewohnt war, ohne ausdrückliche Einladung fremde Wohnungen zu betreten.
    »Frau Czaja?«, fragt er. »Christine Czaja?«
    Sie bestätigte das.
    »Wenn ich vielleicht für einen Moment hereinkommen darf?«, bat Berger. Die Frage war überflüssig, denn er war bereits drinnen. Trotzdem nickte sie und machte eine einladende Handbewegung. Berger ließ den Flur hinter sich und stand schon halb im Wohnzimmer. Sein Blick glitt rasch und routiniert durch den Raum, und Chris war sich sicher, dass ihm nicht die geringste Kleinigkeit entging. »Eine schöne Wohnung haben Sie«, stellte er fest.
    Er stolzierte einmal um das Sofa herum, blieb vor dem Fenster stehen und schaute hinaus. »Hab ich’s mir doch gedacht. Der Treptower Park.«
    Vom Fenster aus sah er sich noch einmal im Wohnraum um. »Sehr geräumig«, nickte er beifällig, während er zur Küche ging, deren Tür offen stand. Das ist der Nachteil, wenn man Türen nicht schließt, dachte Chris, sie laden dazu ein, einzutreten. »Mit Einbauküche?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, war er bereits in der Küche verschwunden. »Ah ja, das ist perfekt.«
    Er tauchte wieder auf und strahlte übers ganze Gesicht, als habe er in der Küche eine wunderbare Entdeckung gemacht. Aus der Nähe wirkte sein Schnurrbart dicht und glänzend. Der Mann schaffte es, trotz des knittrigen Anzuges souverän, gelassen und fast einschüchternd selbstbewusst aufzutreten. »Sie sind Studentin?«
    Die Frage kam überraschend. Sie schüttelte verwirrt den Kopf und antwortete dann: »Ja, ich studiere Kunst.« Was zur Hölle wollte er von ihr?
    »Mhm«, machte er versonnen. »Das ist ein interessantes Thema – und bestimmt leichter als… Wissen Sie, meine Tochter studiert Geophysik. Aber das ist für ihren alten Herrn zu hoch. Da komme ich einfach nicht mehr mit. Ihre Eltern unterstützen Sie?«
    »Ja«. Sie wusste nicht, was sie von der eigentümlichen Taktik des Polizisten halten sollte. War er tatsächlich nur auf einen Plausch aus oder verfolgte er mit diesem Smalltalk ein bestimmtes Ziel?
    »Ich frage nur, weil ich die Studentenbude meiner Tochter kenne. Sie wohnt in einer WG. Das Geld ihres alten Herrn reicht leider nicht für mehr. Er ist halt nur Kriminalkommissar… Aber so eine Wohnung?« Er schnalzte mit der Zunge.
    Er entdeckte die offene Tür zum Badezimmer und bewegte sich darauf zu. »Ein Badezimmer mit Fenster, das ist wunderbar«, sagte er im Türrahmen stehend und schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, es gibt nichts Schlimmeres als ein Badezimmer ohne Fenster. Womöglich nur mit Abzug – widerlich!« Er drehte sich zu ihr um und senkte verschwörerisch die Stimme. »Unter uns, ich bin fast ein bisschen neidisch auf Sie, auf Ihre Wohnung. Nehmen Sie mir das bitte nicht übel.« Er lächelte spitzbübisch. »Allein die Lage, direkt gegenüber vom Treptower Park. Muss im Sommer richtig schön sein.«
    Es schepperte hölzern – aus dem Schlafzimmer. Berger drehte sich auf dem Absatz um. Chris stockte der Atem. Berger tat einen Schritt. »Und das ist…« Er wird doch nicht … Nein, so viel Respekt muss er einfach haben. Die Tür ist geschlossen. »… sicherlich das Schlafzimmer.«
    »Ja, aber…« Chris rang nach Worten. Am liebsten wäre sie im Boden versunken. Ihr Herz wummerte hinauf bis hinter die Schläfen, so laut, dass auch Berger es hören musste. Schnell fügte sie hinzu: »… aber es ist nicht aufgeräumt.«
    Entweder verstand er es als seine Pflicht, oder er war von Natur aus unhöflich. »Ach, das macht mir nichts aus. Wissen Sie, meine Tochter ist da nicht anders.« Er lachte und hob schicksalsergeben die Hände. »Kinder halt.« Und schon lugte er ins Schlafzimmer.
    Chris stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte, über seine Schulter hinweg einen Blick ins Zimmer zu erhaschen. Sie sah das Bett, die Daunenwäsche, die Wolldecke, das zerwühlte Laken. Der Raum war leer. Fassung bewahren, ermahnte sie sich. Der Raum war fast leer.
    »Na sieh mal einer an«, sagte Berger erstaunt. »Der kleine Unruhestifter!«
    Resigniert sank Chris’ Kopf auf die Brust. Tut mir Leid, Philip.
    Berger hockte sich hin. »Maunzimaunzimaunzi.«
    Rabea stolzierte erhobenen Schwanzes hervor, strich um seine Beine, miaute und tänzelte auf Chris zu. Sie atmete tief durch.
    Mit einem Stirnrunzeln starrte Berger auf die zerwühlte Bettwäsche. »Sie sind gerade aufgestanden?«, fragte er, als er sich aufrichtete und zurück ins Wohnzimmer kam. Die Tür zum

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